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Episode 33: Schlaflos in der Krise – selbstlos oder sinnlos? – Shownotes

Krisenbewältigung bis zum Umfallen

Immer wieder hört man von Krisenmanager*innen, die während einer Krise über mehrere Tage hinweg nur sehr wenig schlafen. Krisenbewältigung bis zum Umfallen – macht das Sinn? Oder ist das vielleicht sogar gefährlich?

Nun, im Rahmen der Krisen-PR wird so eine klare Botschaft vermittelt: Wir ordnen alles der Krisenbewältigung unter – auch unsere persönlichen Bedürfnisse bis hin zu unserer Gesundheit.

Nur: Wie sinnvoll ist das wirklich? Sehen wir uns zunächst an, was es alles braucht, damit Notfall- und Krisenmanagement funktionieren können. Hilfreich ist hier das SHEL-Modell:

  • Software: Prozesse, Organisation, Pläne, Checklisten
  • Hardware: Technik und Material
  • Environment: Immobilien, Räumlichkeiten und Arbeitsplätze
  • Lifeware: Menschen

Da natürlich jede Kette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied müssen alle vier Bereiche ausreichend stabil ausgestaltet sein. Das heißt insbesondere auch, dass für alle notwendigen Funktionen die notwendige Anzahl an kompetenten Personen zur Verfügung stehen muss. Ansonsten helfen Prozesse, Technik und Immobilien überhaupt nichts.

Diese Personen müssen aber nicht nur in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, sie müssen auch entsprechend „performen“. Und hier gilt es einen Zusammenhang zwischen Stress und Leistungsfähigkeit zu beachten, der vom Yerkes-Dodson-Gesetz beschrieben wird: Zunächst steigt die Performance mit steigendem Stress, sinkt dann aber wieder. Wobei die Betroffenen zunächst davon nichts mitbekommen sondern glauben, dass sie nach wie vor top performen.

Es ist also wichtig, dass Krisenmanager*innen nicht in diesen roten Bereich gelangen. Nur: Wie kann man feststellen, ob man die notwendigen Voraussetzungen für gute Performance aktuell (noch) mitbringt?

Hier hilft eine Checkliste, die für die Flugsicherheit eingeführt wurde. Sie soll insbesondere Piloten dabei zu unterstützen, die eigene aktuelle Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Und ich plädiere dafür, das auch im Krisenmanagement anzuwenden. Und zwar nicht nur vor dem Start, sondern auch laufend (z.B. alle vier bis sechs Stunden).

Diese Checkliste ist relativ einfach. Sie heißt „AM I SAFE“ („Bin ich sicher“). Dabei stehen die Anfangsbuchstaben für die jeweiligen Fragen:

  • Attitude: Wie sieht meine innere Haltung aus? Bin ich bereit die Krise zu managen?
  • Medication: Stehe ich unter dem Einfluss von Medikamenten die meine Leistungsfähigkeit bzw. insbesondere meine Entscheidungsfähigkeit beeinflussen könnten?
  • Illness: Leide ich aktuell unter irgendeiner gesundheitlichen Beeinträchtigung?
  • Stress: Wie sieht mein sonstiger beruflicher und privater Stress aus? Diese können sich zum „Krisenstress“ hinzu addieren und damit schneller zum „Performanceknick“ führen.
  • Alcohol: Habe ich kurz zuvor Alkohol oder irgendwelche Drogen zu mir genommen?
  • Fatigue: Bin ich müde und erschöpft? Schlafmangel hat ähnliche Auswirkungen wie Alkoholkonsum.
  • Eating: Regelmäßiges Essen und Trinken ist wichtig zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit.

Durch regelmäßiges „Abarbeiten“ dieser Checkliste kann die eigene Performance hinterfragt werden. Wobei hier auch gegenseitiges Feedback im Team ideal wäre. Gute Krisenpläne sehen daher vor, dass die Mitglieder des Krisenteams regelmäßig abgelöst werden, zum Schlafen kommen und auch sonst entsprechend versorgt werden. Dafür braucht es aber auch die entsprechende Anzahl an kompetenten Personen. In der Praxis hakt es hier oft: Viele Krisenmanager*innen fragen nie nach Ablöse, weil sie keine Alternativen zum „Durchbeissen“ sehen. Damit sinkt aber ihre Leistungs- und Entscheidungsfähigkeit. Und damit die Qualität des Krisenmanagements.

Schlaflos in der Krise – selbstlos oder sinnlos? Ein Überschreiten der eigenen Grenzen mag selbstlos sein – ab einem bestimmten Punkt ist es dann aber nicht nur sinnlos sondern sogar gefährlich.


Wenn sie Wünsche oder Anregungen haben, freue ich mich wie immer über eine Email: podcast@krisenmeisterei.at

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