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Episode 13: Leben Sie hinter, in oder vor der Lage? – Transkript

Hallo,

ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Ich helfe Verantwortlichen, Krisen souverän und kompetent zu meistern damit diese nicht zu ihrer persönlichen Tragödie werden.

Heute geht es um die „Lage“. Oder genauer gesagt: Darum, ob sie hinter, in oder vor der Lage leben. Das mag auf den ersten Blick fast esoterisch klingen, entscheidet aber womöglich darüber, ob ihr Krisenmanagement erfolgreich sein wird. Denn wenn sie hinter der Lage leben, dann können Sie nur auf permanente Überraschungen reagieren und darauf hoffen, die Krise irgendwie zu überleben.

Aber beginnen wir einmal der Reihe nach: Lage, was ist das eigentlich? Also, im Duden steht: Lage ist die bestehende Situation, das sind die augenblicklichen Verhältnisse oder Umstände. Also letztendlich alles, was für meine momentane Situation relevant ist. Dazu gehört zum Beispiel das, was mich in die Krise gestürzt hat. Mein Zustand vor Eintritt der Krise. Wie sich die Krise auf mich, meine Organisation, mein Unternehmen, meine Behörde auswirkt. Wie sie sich auf andere auswirkt. Und – ganz wichtig – was sich noch alles daraus entwickeln kann. Es ist letztendlich der für mein Krisenmanagement relevante Ausschnitt der realen Welt. Wobei das Wort „real“ jetzt keinerlei virtuelle Sachverhalte ausschließen soll oder ausschließen darf. Also beispielsweise Cyberbedrohungen oder virtuelle Server – um jetzt nur zwei Begriffe zu nennen – gehören selbstverständlich mit zur Lage.

Ohne die Lage zu kennen, kann Krisenmanagement nie erfolgreich sein. Nun habe ich in meinem Podcast schon mehrfach darauf hingewiesen, dass man im Krisenmanagement meist nicht alle Informationen hat, die man gern hätte. Gleichzeitig gibt es häufig eine regelrechte Kommunikationsflut, die viele relevante Informationen zudecken kann. Es braucht also ein Informationsmanagement, das die wesentlichen Infos herausfiltert, evaluiert, validiert, also hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit einschätzt, und der sogenannten Lageführung zuführt. Über dieses Informationsmanagement werde ich sicher einmal eine eigene Podcast Folge gestalten, zumal esunbedingt im Vorfeld so aufgesetzt und vorbereitet werden muss, dass wir uns im Krisenfall darauf verlassen können. Für heute nehmen wir dieses Informationsmanagement einfach mal als gegeben an. Wir bekommen also Informationen in unseren Krisenstab, welcher daraus die aktuelle Lage quasi herausfiltern muss.

Ja, was gehört nun zum Arbeiten mit der Lage? Zunächst einmal die Lagefeststellung. Dazu gehört eben dieses Informationsmanagement, wobei gerade auch die Verknüpfung von Informationen besonders wichtig ist. Also Informationen, die für sich gesehen keine besondere Bedeutung haben, könnten in ihrer Kombination mit anderen Informationen durchaus sehr relevant werden.

Der nächste Teil in dieser „Arbeit mit der Lage“ ist ein Teil, der eigentlich parallel laufend notwendig ist, ist die Lagedarstellung. Nicht umsonst sagt man umgangssprachlich: Ich muss mir erst ein Bild von einer gewissen Lage machen. Relevante Informationen zu meiner Krisensituation müssen unbedingt visualisiert werden. Im einfachsten Fall ist das eine Landkarte mit eingezeichneten Schadensstellen.

Aber auch abstraktere Geschehnisse kann und muss man visualisieren – um nicht zusagen: Gerade abstrakte Geschehnisse muss man visualisieren. Das reicht zum Beispiel von einer grafischen Darstellung des eigenen Computernetzwerks bis hin zu Social-Media-Monitoring, was auch immer an Lage, an Lage-Informationen für mich relevant sein könnte. Durch die Visualisierung werden nämlich relevante Informationen so dargestellt, dass wir sie uns besonders gut einprägen können. Und außerdem werden sie in Bezug zueinander gebracht. Letztendlich erleichtert eine gute derartige Darstellung – die sogenannte „Lagekarte“ – den Führungsprozess enorm.

Eine gut festgestellte und dargestellte Lage kann und muss dann bewertet werden: Was bedeuten die verschiedenen Ereignisse, Situationen, Zustände und Bedrohungen für mich? Für mein Unternehmen, meine Organisation, meine Behörde? Diese Lagebewertung ist die wichtigste Grundlage für die danach folgende Planung der konkreten Maßnahmen. Werden dabei Fehler gemacht, so wirkt sich das direkt und unmittelbar auf die darauf aufbauenden Entscheidungen aus. Was könnten uns solche Fehler sein? Also, das könnte zum Beispiel reine Schlamperei sein oder z.b. nicht ausreichend sorgfältiges Erfassen von wichtigen Daten. Nicht selten findet man aber auch zum Beispiel Verleugnung. Da gewisse Situationen als undenkbar gelten, wird ihre Möglichkeit gar nicht erst in Betracht gezogen und nicht in die Lage miteinbezogen. Das kann sehr gefährlich werden – umso dramatischer sind nämlich die Auswirkungen solcher Ereignisse, wenn sie dann tatsächlich eintreten. Ja, die Aufgabe eines Krisenmanagers ist es eben, auch das Undenkbare zu denken. Ja, und dann gibt es natürlich auch noch die falsche Einschätzung bei der Lagebeurteilung. Das ist natürlich vor allem dann wahrscheinlich, wenn nicht ausreichendes Fachwissen zur Bewertung, zur Lagebeurteilung herangezogen wird.

Ja, das Ziel des Arbeitens mit der Lage ist es, ein möglichst hohes Lagebewusstsein – auch „Situationsbewusstsein“ oder „Situation Awareness“ genannt – zu erreichen, bzw. herbeizuführen. Die Wissenschaftlerin Maica Endslay definiert den Prozess dorthin so: Die Objekte in der Umgebung werden wahrgenommen. Ihre Bedeutung wird verstanden. Die Veränderungen in der Umgebung und der zukünftige Zustand der Objekte werden zutreffend für eine ausreichende Zeitspanne vorhergesagt. Das wäre also auch dieser gesamte Prozess der Lagefeststellung, Lagebeurteilung, Lagebewertung. Danach folgen dann eben die Prozesse Entscheidung, Ausführungsplanung und Handlung. Das Lagebewusstsein ist also das zentrale Element für ein Krisenmanagement, in dem gute Entscheidungen getroffen werden.

Welche Eigenschaften tragen nun dazu bei, dass Krisenmanagementteams ein besonders gutes Lagebewusstsein entwickeln können? Da sagt uns die Literatur: Es ist einmal ganz wichtig die Erfahrung, dann ausgebildete kognitive Fähigkeiten und hohe Geschwindigkeit und Genauigkeit der Wahrnehmung. Also neben einer gewissen Disposition vor allem Ausbildung, Training und Übung. Was hat das nun mit dem Leben hinter in oder vor der Lage zu tun?

Beginnen wir mit dem „In-der-Lage-Leben“: Also, mit in der Lage leben bezeichnet man den Zustand eines extrem guten Lagebewusstseins. Jemand, der in der Lage lebt, hat ein genaues Lagebild vor Augen, idealerweise in Form einer Lagekarte, aber auch vor dem eigenen geistigen Auge. Dadurch werden sämtliche mentale Kapazitäten, also – kurzgesagt – linke UND rechte Hirnhälfte optimal genutzt. Jemand, der in der Lage lebt, weiß genau welche Ressourcen für die Krisenbewältigung eingesetzt werden bzw. eingesetzt werden könnten. Und zwar sowohl qualitativ (also hinsichtlich der Kompetenzen, hinsichtlich der möglichen Auswirkungen), als auch quantitativ (also so wie viel an Ressourcen habe ich bereits eingesetzt, wie viel habe ich zur Verfügung). Jemand, der in der Lage lebt somit auch ein exaktes Verständnis der sogenannten Kraft-Raum-Zeit-Kalküls: Also, mit welchen Ressourcen kann ich welche Maßnahme meiner Krisenbewältigung in welcher Zeit durchführen.

Dieses „In-der-Lage-Leben“ ist also auch eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die wichtigen Führungsgrundsätze, die ich in Folge 10 dieses Podcasts vorgestellt habe, auch berücksichtigt werden können. Lebt mein Krisenmanager, bzw. mein Krisenstab nicht in der Lage, so kann das verschiedene Auswirkungen haben: So können sehr schnell bekannte Details übersehen werden – was unter Umständen zu falschen Entscheidungen führt. Eine andere Auswirkung wäre, dass man laufend von Lageänderungen überrascht wird, wenn man diese eben nicht antizipieren konnte.

Was uns nun zum gefürchteten „Hinter-der-Lage-Leben“ bringt. Mit diesem „Hinter-der-Lage-Sein“ bezeichnet man einen Zustand, in dem man permanent ausschließlich reaktiv tätig wird. Grund dafür ist, dass es im Rahmen der Lagebeurteilung keine oder keine ausreichend genaue Vorhersagen über die Weiterentwicklung gibt. Ursachen dafür können sein z.b. zu wenig Fachwissen. Die laufenden Entwicklungen können also nicht richtig eingeschätzt werden, weil das Wissen, das notwendige Wissen dafür fehlt. Dann eine unzureichende Lageerfassung: Wichtige Informationen stehen einfach nicht zur Verfügung oder werden nicht erfasst. Ja, vor allem natürlich zu wenig Vorbereitung: Zu wenig Vorbereitung führt auch wieder zu zu wenig Fachwissen, also zu wenig Ausbildung und Training der Krisenmanagementverantwortlichen beispielsweise. Oder ein mangelndes Hinzuziehen von Experten im Vorfeld, so dass diese im Krisenfall einfach nicht zur Verfügung stehen. Dann: Wenn mein Team zu wenig Erfahrung im Umgang mit Krisenlagen hat, dann wird es auch sehr schwierig sein, wirklich in der Lage zu leben. Natürlich unzureichende Vorbereitung des Informationsmanagements, das wir im Krisenfall brauchen.

Das Resultat von diesem „Hinter-der-Lage-Sein“: Ein derartiges Team wird laufend von Lageänderungen überrascht, weil eine entsprechende Voraus-Einschätzung fehlt. Darüber hinaus müssen die Reaktionen auf diese überraschenden Lageänderungen womöglich auch erst erarbeitet und installiert werden. Man verliert also permanent Zeit und handelt rein reaktiv. Überspitzt formuliert: Man ist extrem beschäftigt, während man eigentlich nur abwartet ob man die Krise überstehti.

Ja, was nun tun wenn ein Unternehmen, eine Organisation, eine Behörde eine Übung oder eine reale Krise erlebt wo man hinter der Lage war? Mein persönlicher Tip: Führen Sie unbedingt ein After-Action Review mit externer Begleitung durch und implementieren Sie danach mein 6-Stufen-Programm zu KRISENkompetenz. In der ersten Folge meines Podcasts habe ich dieses Programm ja bereits vorgestellt.

Okay, wenn hinter der Lage sein so bedrohlich ist: Was wäre dann das optimale Gegenstück? Ja, das wäre „vor die Lage kommen“. Was bedeutet das? Das bedeutet, ich bewerte die Lage – und dabei insbesondere die mögliche Weiterentwicklung – so kompetent und so zutreffend, dass ich wesentliche Lageänderungen direkt vorwegnehmen kann mit meinen Entscheidungen. Das heißt, ich treffe Entscheidungen, die nicht nur zur jeweils gerade aktuellen Lage passen, also nicht nur reaktiv sind, sondern auch auf mögliche Weiterentwicklungen abgestimmt sind, also aktiv. Und damit natürlich wesentlich mehr Einfluss auf die weitere Entwicklung der Krisensituation nehmen. Dabei setze ich dann auch auf im Vorfeld bereits erarbeitete Standards und Verfahren, dich somit auch sehr rasch einsetzen kann.

Dafür brauche ich aber natürlich zwei Dinge: Eine sehr gute Vorbereitung und eine perfekte Lagearbeit (also sowohl perfekte Lagefeststellung ist auch Lagebeurteilung). Wie sieht nun so eine gute Vorbereitung aus? Natürlich zunächst einmal umfassende Planungen, Trainings und Übungen. Meine Verantwortlichen, mein Krisenmanagementteam muss kompetent sein, bevor es zur Krise kommt. Das schließt jetzt natürlich sowohl Fachkompetenz ein, als auch die Fähigkeit, sehr rasch komplexe Sachverhalte zu erfassen und mögliche Entwicklungen vorwegzunehmen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, unangenehme Tatsachen sofort anzunehmen und umgehend zur Umsetzung zu schreiten. Ein Krisenstab darf im Fall neuer Entwicklungen keine Sekunde mit der Diskussion vergeuden: „Das kann doch eigentlich alles nicht sein!“. Vielmehr muss er so kompetent sein, sofort zu erfassen, was eine neue Entwicklung für die aktuelle Situation bedeutet und welche weiteren Bedrohungen bzw. Handlungsoptionen sich daraus ergeben.

Das ist natürlich auch gleich die Vorgabe, wenn es darum geht einen Krisenstab zu planen. Alle benötigten Kompetenzen muss ich in diesem Stab vereinen: Entweder durch Besetzung mit entsprechend kompetenten Personal, oder durch Hinzuziehung weiterer – möglicherweise auch externer – Experten, oder durch entsprechend umfassende Ausbildungen und Trainings. Wie gesagt, es geht bei dieser Planung auch vor allem darum, das Undenkbare zu denken. Nicht in den Gedanken flüchten, dass gewisse Dinge einfach nicht passieren können. Ja, wenn solche Worst-Case-Szenarien ein dann tatsächlich NICHT eintreten, dann ist die planerische Befassung damit dennoch ein sehr hilfreicher, Kompetenzen fördernder Prozess.

Meine Vorbereitungen müssen auf allen Ebenen erfolgen: Auf der strategischen Ebene habe ich eben einen Krisenmanager, meinen Krisenstab. Aber auch auf der taktischen und operativen Ebene muss mich vorbereiten, eben durch umfassende Notfallpläne. Denn ein Krisenmanagementplan ersetzt nicht gute Notfallpläne. Habe ich einen Krisenmanagementplan, aber keine Notfallpläne, dann wird jeder Notfall automatisch zu Krise. Das kann und darf und soll nicht sein! Das heißt: Notfallpläne und Krisenmanagementplan ergänzen sich durch optimales Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen.

Unser Ziel als Krisenmanager muss es also sein, gut vorbereitet zu sein, in der Lage zu leben und so mit unserer Krisenreaktion vor die Lage zu kommen. So haben wir die größte Chance, nicht nur auf eine Krise zu reagieren – quasi als Passagiere – sondern den Verlauf auch so weit wie möglich zu beeinflussen.

Soweit für heute zum Thema „Leben sie hinter, in oder vor der Lage?“. Wenn Sie etwas nachlesen wollen, dann finden sich Shownotes, ein Transkript und weitere wertvolle Infos auf meiner Website krisenmeisterei.at. Dort können Sie auch meinen Newsletter abonnieren oder mein eBook runterladen. Außerdem können Sie sich für eines meiner Webinare anmelden. Wenn Sie besondere Wünsche oder Anregungen zum Podcast haben, dann würde ich mich sehr über ein E-Mail freuen. Die E-Mail-Adresse ist: podcast@krisenmeisterei.at.

Das war’s für heute! Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at.

Vielen Dank fürs Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge!


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