Episode 111: Teamführung in Ausnahmesituationen – Transkript

Hallo und herzlich willkommen, ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. In diesem Podcast zeige ich Ihnen, wie Sie als Führungskraft auch in den schwierigsten Momenten einen kühlen Kopf bewahren, souverän entscheiden und Ihr Team sicher durch jede Krise führen. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Krisen für Sie nicht zu unlösbaren Problemen werden.
 
Heute geht es um die Führung von Teams in Ausnahmesituationen. Darum, wie wir alle Team-Mitglieder – auch in stressigen Notfällen oder Krisensituationen – an Bord halten. Und gleich zu Beginn ein Spoiler: Alles, was in Ausnahmesituationen hilft ist auch für den Alltag durchaus empfehlenswert. Es ist nur so: Im Alltag kann man sich länger über mangelhafte Teamführung “hinwegschummeln”. In Krisensituationen eher nicht.
 
Denn gerade in Situationen mit hoher Unsicherheit, hohem Druck und mit wenigen Informationen – was Notfälle und Krisen nun mal so mit sich bringen – ist die Gefahr groß, dass Mitarbeiter emotional oder auch faktisch “aussteigen”, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben wahrzunehmen oder zumindest bei Weitem nicht mehr so gut, wie sie es eigentlich könnten.
 
Denn derartige Stress-Situationen können bei den Team-Mitgliedern zur Überforderung führen – Verwirrung, Ängste, ein Gefühl der Lähmung oder sogar der Wunsch bzw. Impuls davon zu laufen, können die Folge sein.
 
Als Führungskraft sollte ich daher Anzeichen von Überforderung – besonders in Notfall- oder Krisensituationen – möglichst zuverlässig und vor allem rechtzeitig erkennen können. Was sind nun konkret solche Anzeichen?
 
Also, einer der ersten Bereiche, in dem wir typischer Weise etwas bemerken können, ist die Kommunikation.  Viele Personen werden – wenn sie überfordert sind – stiller bzw. ziehen sich zurück. Das ist natürlich insofern fatal, weil man in stressigen Situationen diese stillen Personen besonders leicht übersieht. Wobei ich jetzt überhaupt nicht sagen will, dass alle stillen Personen überfordert sind – das wäre vollkommener Schwachsinn. Nein, es geht darum, dass manche Menschen dann, wenn sie eben überfordert sind, ihre Kommunikation stark reduzieren. Es sollte uns also als Führungskraft auffallen, wenn jemand plötzlich deutlich stiller wird als sonst.
 
Aber es gibt auch andere Veränderungen in der Kommunikation, die auf Überforderung hindeuten können. So zum Beispiel wenn jemand plötzlich deutlich mehr Rückfragen als sonst stellt oder sich plötzlich nicht mehr so klar über seine oder ihre Rolle ist. Und natürlich das Auftreten von Gereiztheit und Ungeduld. Das merkt man meistens am schnellsten, weil es die Emotionen bei allen Beteiligten zusätzlich hochschnellen lässt. Und dann ist man schnell beim Streiten oder sonstigen Formen der Auseinandersetzung. Dabei ist DAS womöglich einfach ein Zeichen, dass diese Person bereits ihr Limit überschritten hat.
 
Auf der Ebene der Emotionen sind auch andere Reaktionen auf Überforderung möglich. Wie z.B. Angst und negative Gedanken – was sich dann z.B. in Form von besonders häufigen negativen Kommentaren äußern kann. Auch ungewöhnliche Unentschlossenheit kann auf Überforderung hindeuten. Genauso wie das Zunehmen von Fehlern bei der eigenen Tätigkeit. Oder wenn es jemandem plötzlich ungewöhnlich schwer fällt, Prioritäten zu setzen.
 
Auch physische Anzeichen gibt es natürlich: Erschöpfung, Müdigkeit, und weitere körperliche Beschwerden wie z.B. Kopfschmerzen können durchaus damit zusammenhängen.
Und wenn man sich all diese möglichen Auswirkungen von Überforderung ansieht, dann können die tatsächlich dazu führen, dass eine unsensible Führungskraft den Druck sogar noch erhöht. Weil Entscheidungen z.B. zu lange dauern. Oder Mitarbeiter sehr emotional reagieren. Oder weniger Rückmeldungen von einigen im Team kommen. Nur: Mehr Druck hilft hier natürlich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Der macht das alles natürlich nur noch viel schlimmer.
 
Was kann man als Führungskraft also machen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entweder gar nicht erst in der akuten Überforderung landen oder zumindest so rasch wie möglich da wieder herauskommen?
 
Eine ganz große Bedeutung hat hier natürlich die Kommunikation. Führungskräfte müssen mit ihren Teams gerade in Notfällen und Krisensituationen schnell und ganz klar kommunizieren. Sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist aber oft eine ziemliche Herausforderung. Warum? Nun, gerade in der ersten Phase von krisenhaften Situationen fehlen viele Informationen, die man gerne hätte. Und da sind manche Führungskräfte oft selbst überfordert. Nicht selten ziehen sie sich zunächst einmal in ihr Büro – oder was auch immer ihr persönlicher Rückzugsort sein kann – zurück und warten darauf, selbst von irgendwo her mehr Informationen oder ein Art Eingebung zu bekommen. Aber inzwischen wachsen Unsicherheit und damit potentielle Überforderung im Team. Führungskräfte müssen daher möglichst rasch die Informationen, die sie haben weitergeben und so für Orientierung in ihrem Team sorgen. Auch wenn es eben noch nicht so viele Informationen sind, wie man gerne hätte. Aber selbst das gehört transparent kommuniziert.
 
Zur Orientierung hilft es auch, wenn die Führungskräfte für die Mitglieder ihres Teams Handlungsspielräume schaffen. Konkret: Nicht einfach warten, bis sich der ganz große Wurf für alle Eventualitäten aus dem Nichts materialisiert hat sondern so frühzeitig wie möglich kleine Aufgaben mit klaren Zielen verteilen. Das bringt das Team ins Handeln und stabilisiert es so letztendlich auch. Dafür ist es aber auch ganz extrem wichtig, dass jede Person ihre Rolle und ihre Verantwortung kennt. Denn gerade hier bringt Überforderung sehr rasch Unsicherheit ins Spiel. Dem kann und muss man als Führungskraft aktiv entgegenwirken. Und nicht einfach annehmen, dass eigentlich eh jeder wissen müsste, wofür er zuständig ist.
 
Und damit kommen wir zum wichtigen Bereich der Emotionen. Gerade in Notfällen und Krisen wäre es natürlich schön, wenn man komplett emotionslos handeln könnte und sich einfach auf das Abarbeiten der Lage konzentrieren könnte. Das entspricht halt nur leider nicht der Realität. Und da muss man auch besonders aufpassen, wenn man vielleicht als Notfall- und Krisenmanager einen persönlichen Background aus einer Einsatzorganisation hat und die Team-Mitglieder aber nicht. Das kommt nämlich öfter vor als man denkt. Denn oft werden genau die Personen, die z.B. ehrenamtlich bei Feuerwehr oder einer Rettungsorganisation sind, gebeten, in dem Unternehmen oder der Organisation, wo sie beruflich tätig sind. ihre Erfahrungen einzubringen und dort das Notfall- oder Krisenmanagement zu übernehmen. Prinzipiell keine schlechte Idee, allerdings mit mehreren Haken. Einer davon ist, dass ich, wenn ich aus einer Einsatzorganisation kommen, gewohnt bin mit Menschen zusammenzuarbeiten, die sich genauso intensiv mit Notfällen auseinandersetzen und ähnliche Ausbildungen haben wie ich. Da spielen Emotionen natürlich auch eine Rolle. Aber es ist halt ein Unterschied ob ich z.B. in einer Schicht als Freiwilliger am Rettungswagen 5 – 10 Einsätze absolviere oder ob ich als Mitglied des Krisenstabs eines Unternehmens vielleicht einmal im Jahr real gebraucht werde. Wo ich bei Einsatzorganisationen vielleicht sachlicher vorgehen kann – weil ich davor und danach an den emotionalen Herausforderungen arbeite – brauchen Team-Mitglieder, die nicht eine derartige Routine im Umgang mit Notfällen und Krisen aufweisen, viel mehr emotionale Unterstützung. Aber wie gebe ich die als Führungskraft?
 
Nun, ganz wichtig sind einmal Empathie und Präsenz. Ich muss in meiner Eigenschaft als Führungskraft für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter greifbar, präsent sein. Wann immer es irgendwie möglich ist muss ich auf sie eingehen und ihnen zuhören. Ihren Fragen, ihren Ideen, ihren Ängsten. Ja, natürlich, Notfälle und Krisen brauchen Zeit und binden die Kapazität der Führungskräfte. Aber meine Mitarbeiter brauchen mich trotzdem auch. Denn ohne sie kann ich die Situation ganz sicher nicht bewältigen.
 
Daher sollte man verstärkt auch seine Empathie in die Kommunikation einfließen lassen. Statt “Es ist so wie es ist” oder “Wir müssen jetzt schauen, dass wir das Beste darauf machen” kann ich auch einmal etwas sagen wie: “Ich weiß, dass diese Situation herausfordernd für Sie ist”. Da vergebe ich mir nichts und mein Team fühlt sich eher verstanden. Auch sollte man, wann immer es möglich und vor allem auch angebracht ist, kleine positive Feedbacks einbauen. ich weiß, es gibt die “alte Schule”, die besagt, dass es während eines Einsatzes kein “Bitte” oder “Danke” geben darf. Damit ist aber gemeint, dass die Kommunikation – insbesondere die Funkkommunikation – so kompakt und effizient wie möglich sein sollte. Aber manchmal braucht es ein anerkennendes “Danke!”. Oder zumindest ein freundliches, dankbares Lächeln. Ja, das kostet dann wieder ein paar Sekunden wertvolle Zeit. Aber die macht der Mitarbeiter, der sich durch das positive Feedback bestärkt fühlt, durch seine Motivation meist sehr schnell wieder wett.
 
Es gibt noch eine Technik, die einem Team helfen kann, mit drohender Überforderung umzugehen. Das sind sogenannte “Check-Ins”. Dabei geht es darum mittels schneller Team-Runden den emotionalen Zustand der Team-Mitglieder zu erfassen und – wenn irgendwie möglich – auch gleich darauf zu reagieren.
 
Wie laufen solche Check-Ins ab? Nun, ideal ist es, wenn das Team kurz persönlich zusammen kommen kann. Gerade in akuten Krisensituationen sollte das einmal am Tag sein, ansonsten sind natürlich auch längere Intervalle möglich. Wenn Teams weit verstreut sind geht so ein Check-In prinzipiell auch via Online-Meeting oder mittels anderer digitaler Tools.
 
Im Check-In selbst, das eigentlich nur etwa 5 bis maximal 10 Minuten dauern sollte, werden ganz einfache Fragen gestellt, wie z.B. “Wie fühlt Ihr Euch heute?”. Die Antworten können auch nach dem Ampelsystem gegeben werden: “Grün” für “Alles im Griff”, “Gelb” für leichte bis mittlere Herausforderung und “Rot” für zumindest hohe Belastung, wo Unterstützung schon recht gut wäre. Wie gesagt, das Check-In selbst sollte nur ein rasches Schlaglicht ermöglichen – ansonsten wird es schnell selbst zur Belastung und erhöht noch den zugrunde liegenden Stress. Es ist dabei auch wichtig, dass die Team-Mitglieder die Check-Ins als Hilfestellung wahrnehmen und ihre Wortmeldungen freiwillig erfolgen. Was wiederum heißt: Sie sollten die Technik des Check-Ins schon vorher kennengelernt haben. Was natürlich nichts anderes heißt als: Auch hier wieder treffen wir auf etwas, das unbedingt vorbereitet gehört. Denn wenn im Zuge eines Notfalls oder einer Krise mein Chef mich das erste Mal fragt, wie es mir geht und sich ansonsten gar nicht darum schert, dann wird meine Antwort unter Umständen nicht besonders ehrlich ausfallen. Aber wenn bereits im Alltag darauf geachtet wird, wie wir mit unseren höchst persönlichen Ressourcen umgehen, dann klappt das mit Sicherheit auch im Ernstfall besser.
 
Aber die Führungskräfte müssen auch auf sich selber schauen. Denn letztendlich sind sie Vorbilder, “Role-Models”. Eine Führungskraft, die bis zur Selbstaufgabe durcharbeitet, erzeugt zwei
Probleme: Zum einen ist es wahrscheinlich, dass sie aufgrund von Übermüdung und Überforderung selbst schon nicht mehr effektiv und schon gar nicht mehr effizient ist. Zum anderen liefert sie aber auch das Vorbild: Gut sind wir, wenn wir bis zum Umfallen rackern. Damit aber ich selbst und vor allem auch mein Team leistungsfähig bleiben, müssen wir auf zumindest rudimentäre Fürsorge bzw. Selbst-Fürsorge achten. Dazu gehört z.B. das Einlegen von bewussten Pausen. Auch wenn die vielleicht einmal nicht sehr lange ausfallen können – aber selbst Mini-Pausen können einem schon gut tun. Ein anderer Punkt wäre ausreichender Schlaf. Nein, zwei Stunden pro Nacht reichen für einen normalen Menschen nicht. Und gerade im Krisenmanagement sollte man so fit wie möglich sein. D.h. auch auf gesunde Ernährung sollte man achten. Und etwas Bewegung zwischendurch hilft nicht nur dem Körper sondern ganz besonders auch den eigenen grauen Zellen: Ein kleiner Spaziergang – und wenn er nur innerhalb des eigenen Unternehmens erfolgt – kann einem wortwörtlich neue Perspektiven ermöglichen und sowohl Kreativität als auch Stressresistenz erhöhen.
 
Und dann sind da noch zwei sensible Punkte, die oft unterschätzt werden. Zum einen die persönliche emotionale Transparenz: Als Krisenmanager muss ich mir nicht das Image des teflonbeschichteten Superhelden geben. Ich darf auch offen darüber kommunizieren, dass auch ich unter hoher Belastung stehe. Und ich sollte offen für professionelle Unterstützung wie Beratung oder Supervision sein. Auch dass gehört durchaus zum Krisenmanagement dazu. Denn die Belastungen – und durchaus sehr hohe Belastungen – kommen von selber. Sie gehen aber nicht unbedingt von selber. Achten sie daher auf sich und ihre Team-Mitglieder. Damit alle an Bord und vor allem in der Lage bleiben, konstruktiv die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

 

Das war’s soweit zum Thema „Teamführung in Ausnahmesituationen“. Was sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie mir ein E-Mail an podcast@krisenmeisterei.at oder hinterlassen Sie mir eine Sprachnachricht auf memo.fm/krisenmeisterei. Ich freue mich auf Ihre Gedanken!

Besuchen Sie www.krisenmeisterei.at für Shownotes, Transkripte und weitere wertvolle Infos zum Thema Krisenmanagement. Abonnieren Sie meinen Newsletter, laden Sie mein eBook herunter oder melden Sie sich für meine Online-Schulungen an.

Und falls Sie es noch nicht getan haben: Abonnieren Sie den Podcast, damit Sie in Zukunft keine Folge verpassen.
Denken Sie daran: Der beste Zeitpunkt, sich auf Notfälle oder Krisen vorzubereiten, ist immer heute. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist!

 

Das war’s für heute. Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Vielen Dank fürs Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge!
 

⇒ Zurück zur Episode

⇒ Shownotes

Nach oben scrollen