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Episode 56: Zusammenarbeit in der Krise: Gemeinsam einsam? – Shownotes

Informationsinseln als gefährlicher De-Facto-Standard

Wenn mehrere Unternehmen, Organisationen oder Behörden zur Bewältigung einer Krise oder einer Katastrophe zusammenarbeiten sollen, wollen oder müssen (ja, nicht immer freuen sich alle darüber…), dann kann das nur dann optimal ablaufen, wenn es einen raschen (möglichst echtzeitigen) und zuverlässigen (sowohl hinsichtlich Richtigkeit als auch hinsichtlich Vollständigkeit) Informationsfluss zwischen den Handelnden gibt. Das bedeutet nicht, dass jegliche Information immer sofort an alle weitergegeben werden muss. Das wäre weder zulässig noch sinnvoll (Stichwort „overnewsed but underinformed). Aber: Es ist ungeheuer wichtig, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Bild der Lage haben. Ansonsten ist es nur eine Frage der Zeit, bis einander entgegenwirkende Entscheidungen getroffen und Handlungen gesetzt werden.

Damit so ein gemeinsames Bild der Lage entsteht muss eben der laufende Austausch von Lageinformationen gewährleistet werden. Häufig passiert das auch heute noch durch Telefonate mit Bekannten bzw. „Verbindungspersonen“. Das ist schon mal ein guter Ansatz – aber sicher nicht das, was in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts optimal wäre. Es gibt viele technische Tools, mit denen einen übergreifende Lageführung sehr rasch und zielführend möglich ist. Natürlich muss man beim Einsatz solcher Tools auch immer sofort mit planen, was man tut, wenn sie mal ausfallen. Und: Das redundante Ausführen der Server ist da sicher keine ausreichende Maßnahme. Aber nur weil etwas ausfallen könnte, muss ich nicht von Haus aus darauf verzichten…

Leider sind solche integrierte und übergreifende Lageführungssysteme alles andere als ein Standard. Der De-Facto-Standard sind vielmehr oft Informationsinseln: Jede Organisation, jedes Unternehmen, jede Behörde führt ihre/seine eigene Lage und stimmt sich „fernmündlich“ oder durch das Übermitteln von einzelnen Dokumenten mit anderen ab. Wenn es darum geht, rasch, gemeinsam, effektiv und effizient zu wirken, dann ist das heute nicht mehr ausreichend.

Natürlich stellt sich bei der Forderung nach solchen Systemen immer sofort auch die Frage nach der Finanzierung. Hier braucht es Verantwortliche, die diesen gordischen Knoten durchschlagen. Denn was die vorhandenen Informationsinseln im Ernstfall kosten (in Form von nicht optimaler Einsatzleistung), das sollte mittlerweile recht klar sein.

Aber es gibt noch eine weitere Hürde, wenn man solche Systeme wirklich komplett übergreifend einsetzen will: Wie weit sind die Prozesse, die in den jeweiligen Einheiten ablaufen, so harmonisiert, dass gemeinsame Tools auch wirklich durchgängig genutzt werden können? Da gibt es doch häufig ziemliche Unterschiede. Wer meint, die FwDV100 (Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 „Führung und Leitung im Einsatz“ in Deutschland) oder das SKKM („Staatliches Krisen- und Katastrophenschutzmanagement“, insbesondere die Richtlinie für „Führen im Katastropheneinsatz“ in Österreich) wäre bereits das Ende der Fahnenstange, der oder dem kann ich nur einen ergänzenden Blick auf das ICS (Incident Command System) in den USA empfehlen – dort gibt es einen Standard für Aufbau- und (administrativ-organisatorische) Ablauforganisation (inklusive detaillierter, vereinheitlichter Nomenklatur) der beliebig skalierbar (von 1 bis hunderte Personen) und implementierbar (von Papierformularen bis hin zu kompletter IT-Umsetzung) ist.

Beides, gemeinsame Abläufe (über die engeren Einsatzorganisationen hinaus) und gemeinsames Informationsmanagement (dort wo zulässig und sinnvoll) könnten den Wirkungsgrad im Krisenmanagement für alle Beteiligten sicher weiter erhöhen.

Nur, um es hier auch ganz klar anzumerken: Selbst das ausgefeilteste technische Tool ersetzt nicht gut ausgebildete und erfahrene Personen, die notwendige Entscheidungen treffen und so Krisen und Katastrophen (hoffentlich) beherrschbar machen. Aber sie können sie maßgeblich unterstützten.


Wenn sie Wünsche oder Anregungen haben, freue ich mich wie immer über eine Email: podcast@krisenmeisterei.at

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