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Episode 27: Autoritär oder partizipativ? – Shownotes

Was ist eigentlich der ideale Führungsstil in Notfällen und Krisensituationen? Ist es der smarte Kommandant, der jedem/jeder im Team genau sagt, was jetzt gerade zu tun ist? Oder ist es der kumpelhafte Softie, der seine Mitarbeiter mit einem freundlichen Schulterklopfen und Gratis-Kaffee zu Höchstleistungen anspornt?

Ich selbst habe da mitunter sehr heftige Diskussionen erlebt.

Da sind einmal diejenigen die meinen, ein Krisenmanager erteilt kurze und klare Anweisungen, involviert sich selbst überhaupt nicht in die Umsetzung und bleibt quasi auf dem Feldherrenhügel, um alles zu überblicken, jegliche Veränderung sofort wahrnehmen zu können und die notwendige Kontrolle auszuüben.

Dann gibt es auf der anderen Seite diejenigen die meinen, der Krisenmanager als Leiter seines Krisenstabs ist eigentlich nur ein „Primus inter Pares“, ein „Gleicher unter Gleichen“ dessen einzige Besonderheit ist, dass er die Ergebnisse der Krisensitzungen nach außen bzw. nach oben trägt. Daher stünde wäre nur ein partizipativer Führungsstil erfolgreich. Nun, Tatsache ist, dass es zu beiden Extrempositionen Beispiele von erfolgreichen Notfall- und Krisenmanagern gibt.

Heißt das, dass beide Stile (und womöglich jeder dazwischen) passt, wenn man als Führungskraft einfach nur authentisch ist?

Leider nein. Damit Führung generell, aber natürlich ganz besonders bei Notfällen und in Krisensituationen optimal gelingt muss alles zusammenpassen: Führungsstil, Team und Situation.

Und genau da beginnt die Herausforderung: Habe ich ein fixes Team, dass für die Bewältigung von ganz genau definierten Situationen trainiert, dann kann es durchaus sein, dass ein bestimmter Führungsstil immer funktioniert.

Nur: Wir sind im betrieblichen Notfall- und Krisenmanagement häufig mit wechselnden Teams und ganz besonders mit unterschiedlichen Situationen konfrontiert. In besonderem Ausmaß gilt das für das Krisenmanagement: Denn Krisen entstehen ja in der Regel durch besondere, meist sogar einzigartige Situationen. Wenn ich nun mit einem fixen Führungsstil an unterschiedliche Teams und unterschiedliche Situationen herangehe, dann kann das gut gehen – oder aber auch nicht.

Was hier gebraucht wird: Den richtigen Führungsstil für die richtige Situation wählen. Das ist etwas, das besonders erfahrene Führungskräfte mitunter automatische schaffen. Aber gibt es auch so etwas wie ein Kochrezept, dass mir als Führungskraft hilft mein Verhalten an Team und Situation anzupassen?

Ja, gibt es. Aus meiner persönlichen Erfahrung sehr hilfreich ist hier das Modell der Teamphasen von Bruce Tuckman. Tuckman hat in seinem ursprünglichen Modell vier aufeinander folgende Phasen für Teams beschrieben:

1.) Forming, oder Kontaktphase 2.) Storming oder Konfliktphase 3.) Norming oder Kontraktphase sowie 4.) Performing oder Kooperationsphase

Der Vollständigkeit halber sie gesagt, dass es für die englische Bezeichnung verschiedene Übersetzungen gibt. Im Prinzip werden aber ohnehin fast ausschließlich die englischen Begriffe verwendet.

Was bedeuten nun die verschiedenen Phasen? Sehen wir uns das genauer an:

Forming-Phase: Hier kommen die Teammitglieder zusammen und müssen sich womöglich sogar erst einmal untereinander bekannt machen. Und selbst wenn sie sich schon kennen, dann ist sind die eigene Rolle in der Gruppe beziehungsweise die Beziehungen mit anderen Teammitgliedern noch weder klar noch gefestigt.

Damit geht es in die zweite Phase, die sogenannte Storming-Phase. Hier kommt es klassisch zu Auseinandersetzungen über Position und Status in der Gruppe und über Prioritätensetzungen. Diese Auseinandersetzungen können durchaus konstruktiv ablaufen, es kann jedoch auch zu schweren bis zu feindseligen Konflikten kommen. Damit ist natürlich auch klar, dass in dieser Phase auch noch nicht allzu viel Leistung vom Team erwartet werden kann.

Besser wird das in der Norming-Phase. Hier werden entweder klare Regeln besprochen und definiert oder einfach stillschweigend entwickelt. Das gelingt unter anderem dadurch, dass die Teammitglieder nun ihren Platz im Team gefunden haben und Kooperation möglich wird.

Wenn dann alles geklärt ist – gleich ob explizit oder implizit – dann kann das Team zur vierten Phase, zum Performing weitergehen. Hier wird kooperiert und offen kommuniziert – das Team erreicht seine maximale Leistung und entfaltet seine optimale Wirkung.

Was hat das nun mit dem Führungsstil zu tun?

Nun, es ist so, dass eine Führungskraft durch Anpassung des eigenen Führungsstils an die jeweilige Teamphase die Weiterentwicklung zur vierten Phase, zum Performen, beschleunigen kann.

Konkret verlangen die ersten Phasen eine klar direktive Vorgehensweise. In der ersten Phase müssen Ziele, Erwartungen und Vorgaben klar kommuniziert und dargelegt werden. Je schneller das jedem Team-Mitglied klar ist, umso schneller geht es weiter mit der Teamentwicklung.

In der zweiten Phase, dem Storming, ist die Führungskraft auf ganz besondere Weise gefordert. Hier gilt es, Störungen und Konflikte rasch zu erkennen und auch anzusprechen. Wobei es nicht immer möglich sein wird, diese auch während eines Notfalls oder akuten Krise auch gleich zu lösen. Aber auf gar keinen Fall dürfen sie ignoriert werden, denn dann kann das im schlimmsten Fall zu einem Zerbrechen des Teams führen. Die Führungskraft muss hier also auch noch sehr direkt agieren und darauf achten, dass das Team diese Phase so rasch wie möglich bewältigt. Eine möglichst hohe Präsenz ist hier unerlässlich.

Erst mit der nächsten Phase, dem Norming, kann die Führungskraft beginnen, sich etwas zurück zu nehmen. In dieser Phase, wenn also das Team gemeinsam die Regeln für die Zusammenarbeit entwickelt, ist es die Aufgabe der Führungskraft dafür einen entsprechenden Rahmen zu schaffen. Sie wird also vom Dirigenten eher zum Facilitator. Wobei ich hier noch eines anmerken möchte: Wenn es heißt, dass das Team in dieser Phase Regeln entwickelt, dann bedeutet das nicht, dass es keine vorbereitenden Regeln gegeben hat. So sehr die Zusammenarbeit auch zuvor bereits definiert und festgeschrieben worden ist, all diese Regelwerke müssen von den konkreten Menschen im Team dann zum Leben erweckt werden. Und das läuft dann nun mal über diese Teamphasen.

Ja, und zuletzt kommen wir dann hoffentlich in die Performing-Phase. Hier braucht es keine Direktiven mehr, das Team funktioniert – es kooperiert und kommuniziert sehr offen, kritische Punkte werden sofort angesprochen. Die Führungskraft agiert am besten kooperativ bis partizipativ.

Das heißt über diese vier Teamphasen spannt sich von Seiten der Führungsstile ein Kontinuum von sehr direktiv bis hin zu partizipativ. Eine wesentliche Qualität erfolgreicher Notfall- und Krisenmanager ist es nun, sehr rasch zu erkennen, in welcher Phase sich das eigene Team gerade befindet. Denn leider ist das kein linearer Prozess, der immer nur in eine Richtung geht.

Soll heißen: Änderungen im Team, bei der Führungskraft oder aber auch drastische Lageänderungen (also Veränderungen in der Umwelt) können ein Team immer wieder in eine frühere Phase zurückwerfen. Ein Beispiel: Wenn ein Krisenstab plant bestimmte Ressourcen zur Krisenbewältigung einzusetzen und dann kommt plötzlich die Hiobsbotschaft, dass diese Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, dann kann das Stabsteam plötzlich von der Performing-Phase wieder in die Norming oder womöglich sogar in die Storming-Phase zurückfallen. Oder wenn wichtige Team-Mitglieder ausgetauscht werden, dann kann es sogar bis in die Forming-Phase zurück gehen.

Und hier ist jetzt die wahre Kunst der Führungskraft gefordert: Nämlich das sofort zu erkennen und den eigenen Führungsstil sofort darauf anzupassen. Also konkret z.B. aus dem partizipativen Verhalten herauszutreten und Störungen umgehend anzusprechen und Vorgaben für die Bewältigung zu geben, usw.

Wichtig ist dabei natürlich, dass die Führungsperson dabei nicht ihre Authentizität verliert. Also, dass das alles nicht aufgesetzt und gezwungen geschieht, sondern dass das alles verinnerlichte und geübte Handlungen sind, die vor allem für die Team-Mitglieder ganz natürlich kommen und sie damit optimal unterstützen.

Ja, und eines ist natürlich auch noch wichtig zu erwähnen: Natürlich kann es immer wieder Situationen geben, wo eine klare Anweisung durch den Teamleiter notwendig ist, ganz gleich in welcher Teamphase man sich befindet. Das wäre z.B. bei Gefahr in Verzug der Fall. Da geht es womöglich um Sekunden und nicht darum, welcher Führungsstil jetzt gerade angebracht wäre. Aber auch das muss ein guter Krisenmanager verinnerlicht haben. Wie gelangt man nun als angehender Krisenmanager dorthin?

Nun, zunächst einmal natürlich durch entsprechendes Fachwissen. Wissen über Teamentwicklungen und Wissen über Führungswerkzeuge sind einmal ein guter Anfang. Und dann braucht es Übung und Erfahrung. Und genau da hapert es halt öfter. Denn nicht jede Führungskraft arbeitet mit sich laufend ändernden Teams in einer dynamischen Umwelt. Und selbst dann ist es eine Frage, ob Dynamik, Stress und Emotionalität wirklich mit einer akuten existenzbedrohenden Krise vergleichbar sind.

Daher einmal mehr mein Appell, realistische Simulationsübungen als fixen Bestandteil der eigenen Vorbereitung aufzunehmen. Denn im Ernstfall wollen Sie einen Krisenstab, der funktioniert und sich nicht erst „zusammenstreiten“ muss.

Und wenn Sie sich jetzt überlegen, wo Sie entsprechendes Wissen und Training herbekommen – eine kurze Werbung in eigener Sache: Ich plane für den heurigen Herbst einen Lehrgang für Krisenmanager. Wenn Sie Interesse daran haben, dann schicken Sie mir doch einfach ein kurzes E-Mail an training@krisenmeisterei.at und ich lasse Ihnen gerne nähere Infos zukommen.


Wenn sie Wünsche oder Anregungen haben, freue ich mich wie immer über eine Email: podcast@krisenmeisterei.at

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