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Episode 24: Planen Sie Szenarien oder Prozesse?

Häufig wird als Ziel bzw. Endzustand für das Krisenmanagement definiert „Rückkehr zur Normalität“. Was aber, wenn es die Normalität, zu der man zurückkehren möchte, nicht mehr gibt? Die gegenwärtige Covid-19-Situation läuft in genau diese Richtung. Die meisten Prognosen gehen dahin, dass es nachhaltige Veränderungen geben wird. Wo ist dann der „Endpunkt“ des Krisenmanagements? Schleift es einfach aus oder wird es zum Normalzustand.

Wichtig in solchen Situationen ist das Paradigma, unter dem das Krisenmanagement in einem Unternehmen bzw. Organisation entwickelt und vorbereitet wurde. Geht es rein um eine rasche und möglichst vollständige Rückkehr zum Ausgangszustand, so ist das ein eher mechanistisches Bild, das Krisenmanagement wird dann dazu tendieren, vor allem operativ und maximal dispositiv zu agieren.

Wenn sich die Umwelt aber – so wie jetzt – im Verlauf der Krise verändert, so muss das Ziel, muss die angestrebte Normalität neu definiert werden. Das verlangt strategische Arbeit, womöglich sogar strategische Neuausrichtung mitten während der Krise. Nicht umsonst hält die ONR CEN/TS 17091 fest, dass Krisenmanagement auf oberster Ebene eine strategische Aufgabe ist.

Wie soll aber nun das Krisenmanagement ausgerichtet sein, um auch solchen Situationen gerecht zu werden? Welches Paradigma kann uns hier als Orientierungshilfe dienen?

Die Antwort ist: Krisenmanagement als Expedition! Eine Expedition führt in vielleicht unbekanntes, auf jeden Fall aber fremdes und schwieriges Gebiet. Es braucht daher ständige Lageerkundungen sowie eine weitgehende Autarkie, da man im Vorhinein meist nicht genau vorhersagen kann, wie es mit der Versorgung und dem Nachschub aussehen wird. Die Führungsstruktur muss klar und überschaubar sein und der Skill-Mix muss sicherstellen, dass man mit den Problemen unterwegs gut fertig wird.

Und dann ist da noch die Sache mit den Zielen: Natürlich haben Expeditionen auch klare Ziele. Diese können aber so formuliert sein, dass sie flexibel auf die „Lage vor Ort“ angewendet werden können bzw. müssen. Hier kommt dann die strategische Komponente zum Tragen.

Der Krisenmanager ist in diesem Paradigma also weder der Lotse, der das Schiff in den sicheren Hafen geleitet, noch der Projektleiter, der das „Projekt Krise“ rasch und effizient abarbeitet. Vielmehr ist der der Expeditionsleiter, der mit viel Umsicht, Erfahrung und Achtsamkeit das Unternehmen durch unbekannte Gefilde führt und ermöglicht, dass am Ende des Weges etwas Neues entstehen kann.

Und dieses „Neue“ entsteht durch strategische Ausrichtung. Im Idealfall kann es ein Unternehmen bzw. eine Organisation so schaffen, aktiv aus der Krise „auszusteigen“. Indem es seine „Normalität“ neu definiert und sich in der veränderten Umwelt entsprechend positioniert. Was wiederum große strategische Vorteile bringen kann und wird.

Daher meine Empfehlung an alle Unternehmen und Organisationen: Planen Sie Krisenmanagement als Expedition. Das bietet zwar auch keine Garantie dafür, dass alles gut wird. Aber es fördert und verstärkt die strategische Arbeit noch während der Krise. Und damit die Ausrichtung auf eine neue Zukunft.


Wenn sie Wünsche oder Anregungen haben, freue ich mich wie immer über eine Email: podcast@krisenmeisterei.at

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