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Episode 14: Sind Sie ein Schmetterling oder ein Adler? – Transkript

Hallo,

ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Ich helfe Verantwortlichen Krisen souverän und kompetent zu meistern, damit diese nicht zu ihrer persönlichen Tragödie werden.

Heute geht es um die Frage: „Sind sie ein Schmetterling oder ein Adler?“ Diese Frage mag auf den ersten Blick nach einer Tierfabel klingen, hat aber sehr ernste Hintergründe. In den 90er Jahren bekam ein Team um Rhona Flin an der Universität von Aberdeen den Auftrag, die Überprüfung von britischen U-Boot-Kommandanten zu evaluieren. Dabei fanden sie heraus, dass ein deutliches Zeichen für die Überforderung eines Kommandanten, einer Kommandantin das sogenannte Butterfly-Syndrom war.

Ein überforderter Kommandant fühlt sich in seiner eigenen Rolle nicht mehr wohl. Er beginnt sich in die Agenden seiner ihm unterstellten Mitarbeiter einzumischen. Er verlässt also seine im eigentlich zugedachte Rolle und wechselt von Fachgebiet zu Fachgebiet – eben so, wie ein Schmetterling von Blüte zu Blüte flattert. Was man aber sucht ist ein Kommandant, der auch in extrem stressigen Situationen seine Position nicht verlässt sondern souverän den Überblick behält und dabei präzise und zielgerichtet mit seinem Team agiert. Ich wähle dafür als Gegensatz zum Schmetterling die Metapher des Adlers. Der Adler agiert mit Weitblick, vermeidet unnötiges Herumflattern und agiert bei Bedarf rasch und genau.

Genau so jemanden wünschen wir uns als Krisenmanager: Souverän, über den Dingen stehend und sich auf das Wesentliche konzentrierend. Wie leicht oder wie schwer das ist hängt aber nicht nur von der Person des Krisenmanagers selber ab. Es hängt auch viel von seinem bzw. ihrem Team, dem Krisenstab, ab. Denn wenn ein Stab gut eingespielt ist, aus lauter kompetenten und erfahrenen Mitgliedern besteht und genau weiß, wer was wann tun muss, dann ist es natürlich vergleichsweise einfach als Leiter souverän zu bleiben.

Die Frage ist nun: Was tun, wenn dem nicht so ist? Wenn mein Krisenstab nicht einsatzerprobt und zu 100% rollensicher ist? Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: „Ausbildung, Trainings und Übung – diese drei Dinge braucht es, damit die Krisenstabs.Mitglieder entsprechende Sicherheit in ihrer Aufgabe erreichen!“ Und das stimmt natürlich auch. Aber: Gerade der betrieblichen Stäben ist es sehr selten, dass alle Stabsmitglieder über eine solche Routine verfügen, dass sie quasi blind zusammenarbeiten können. Auch wenn ein solches Team zweimal pro Jahr übt – was ist Wirklichkeit deutlich mehr ist, als in der meist Unternehmer die bittere Realität ist – dann hat so ein Team nach fünf Jahren gerade mal zehn Übungsdurchläufe absolviert. Und in einer echten Krise kommen natürlich noch der Stress und die mitunter recht hohe Emotionalität dazu. Damit ist es für so einen Stab unmöglich von Null weg sofort in völliger Routine zu arbeiten.

In so einer Situation wird der Stab sämtliche klassische Teamphasen durchlaufen: Forming, Storming, Norming und Performing. Diese vier Phasen beschreiben typische Zustände eines Teams, die uns auch bei der Arbeit eines Krisenstabs begegnen. Für den Krisenmanager, die Krisenmanagerin sind sie vor allem deshalb wichtig, diese vier Phasen, weil sich der Führungsstil an die jeweilige Phase anpassen muss. Werfen wir daher einen kurzen Blick auf die verschiedenen Phasen:

Das beginnt mit Phase 1, der Forming-Phase, bzw. Einstiegs- und Findungsphase oder Kontaktphase genannt. Diese Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Teammitglieder erst kennenlernen müssen. In dieser Phase sind die Beziehungen der Teammitglieder zueinander noch unklar. Es herrscht Unsicherheit, womöglich sogar Verwirrung vor.

Phase 2, die Storming-Phase, bzw. Auseinandersetzungs- und Streitphase, auf oft Konfliktphase genannt: Da gibt es im Team Unstimmigkeiten über Prioritäten. Es kann Machtkämpfe über Führungsrolle oder Status in der Gruppe geben, Ja, auch in dieser Phase ist die Leistungsfähigkeit des Teams kaum gegeben. Meine persönliche Erfahrung zeigt: Neue Teams durchlaufen diese Phase immer. Manchmal versuchen Gruppen, dies quasi zwangsartig zu unterdrücken: „Nein, wir brauchen kein Storming, wir können auch sogleich zusammenarbeiten!“ Das rächt sich aber fast immer dadurch, dass die Konflikte dann später umso heftiger auftreten.

Ja, dann komm wir zu Phase 3, der Norming- bzw. Regelungs- und Übereinkommens-Phase, auch Kontrakt-Phase genannt. Ja, es werden Normen und Regeln für die Zusammenarbeit diskutiert oder einfach stillschweigend gefunden und akzeptiert. Die Teammitglieder haben nun Rollensicherheit erlangt, können auch entsprechend kooperieren. Die gegenseitige Akzeptanz steigt also. Ja, und auch der Output des Teams, die Effizienz des Teams, beginnt zu steigen.

Dann kommen wir zur Phase 4, der Performance- oder auch Arbeits- und Leistungsphase, manchmal Kooperationsphase genannt. Jetzt sind wir dort, wo wir eigentlich hinwollen: Das Team arbeitet gemeinsam an einer klaren Aufgabe mit definierten Regeln und gegenseitiger Akzeptanz und erreicht somit dann auch seine maximale Leistungsfähigkeit.

Schön wäre es, wenn sich Teams einfach von Phase 1 zu Phase 4 entwickeln – natürlich möglichst rasch – und dann beim Performen noch bleiben würden. Das Problem ist aber, dass Teams jederzeit wieder die Phasen 3, 2 oder sogar 1 zurückfallen können. Und zwar immer dann, wenn eine neue Person in das Team kommt (ganz gleich welche Position), oder wenn es zu Änderungen der Aufgabenstellung kommt. Das wäre also z.b. bei Schichtwechsel oder bei wesentlichen Lageänderungen. Ein Krisenmanager bzw. Krisenstabsleiter muss also jederzeit damit rechnen, dass sein bzw ihr Stab die Phase des Performing verlässt und in eine frühere Phase zurückspringt. Und damit klar an Leistungsfähigkeit, an Effizienz verliert.

Kann man das verhindern? Im betrieblichen Umfeld kaum. Was man aber machen kann – und machen muss – ist seinen eigenen Führungsstil an die jeweilige Phase anpassen. Wie sieht das konkret aus?

Fangen wir an mit Phase 1, dem Forming. Zwei Dinge, die da ganz wichtig sind: Alle Teammitglieder müssen sich kennenlernen, müssen von einander wissen und alle Beteiligten müssen gut informiert sein. Aufgaben und Ziele müssen klar sein, klar definiert, klar verständlich sein. Hier sind also seitens der Führungskraft klare Anweisungen und Informationen wichtig.

In der Phase 2, dem Storming, ist es wichtig, dass Konflikte auch wirklich angesprochen werden. Gleichzeitig muss man aber auch auf Disziplin achten. Angriffe müssen unterbunden werden, denn ansonsten können persönliche Auseinandersetzungen den Teamerfolg massiv gefährden. Das darf nicht passieren.

In der Phase 3, dem Norming, kann die leitende Person durch Vorgabe von klaren Rahmenbedingungen beschleunigend einwirken. Was wären solche klare Rahmenbedingungen? Z.b. klare Delegationen von Aufgaben. Aber auch ganz wichtig: Klare Kommunikationsstrukturen. Z.B. wann finden welche Besprechungen statt, welche Berichte werden wann von wem erwartet, etc.

Ja, und dann in der Phase 4, dem Performing: Ja, in dieser Phase kann durchaus partizipativ geführt werden. Die Teammitglieder sind voll auf die benötigte Leistung fokussiert.

Was hat dies nun mit unseren Schmetterlingen und Adlern zu tun? Ja, solange ein Team in der Performing-Phase arbeitet ist es leicht, als Adler über den Dingen zu schweben. Aber: Personalwechsel oder eine massive Lageänderung können sehr schnell dazu führen, dass sich der Stab in einer der drei anderen, weniger effizienten Phase wiederfindet. Ein unsicherer Krisenmanager könnte nun dazu übergehen, in die Tätigkeiten der einzelnen StabsmitarbeiterInnen einzugreifen um so die Leistung wieder sicherzustellen. Womit wir dann aber einen Schmetterling hätten.

Die Aufgabe des Krisenmanagers bzw des Stabsleiters ist es aber vielmehr, dem Stab als Team dabei zu helfen, möglichst rasch wieder zur Performing-Phase zurückzufinden. Das geht am besten durch klare Zielvorgaben, direktes Ansprechen von Konflikten, auf positive Gesprächskultur achten und einen klaren Rahmen schaffen – sowohl hinsichtlich der einzelnen Aufgabenbereiche also hinsichtlich der zeitlichen und räumlichen Gestaltung. Sobald ich jedoch beginne, mich selbst um die Aufgaben eines der Stabsmitarbeiter zu kümmern, bin ich selbst nur mehr eingeschränkt leistungsfähig.

Das heißt, meine Aufgabe als Krisenmanager bzw Leiter, Leiterin eines Krisenstabs ist es, dafür zu sorgen, dass die Stabsmitarbeiter als Team funktionieren können. Also sozusagen als Adler beobachtend über dem Team zu kreisen, bei Bedarf klare Ansagen zu machen und dann das Team wieder arbeiten zu lassen. Als Schmetterling, der von Stabsbereich zu Stabsbereich flattert und dort dauernd „umrührt“, stört man die Arbeit mehr als dass man sie fördert.

Soweit für heute zum Thema: „Sind sie ein Schmetterling oder ein Adler?“ Wenn sie etwas nachlesen wollen, dann finden Sie Shownotes, ein Transkript und weitere wertvolle Infos auf krisenmeisterei.at. Dort können Sie auch meinen Newsletter abonnieren oder mein eBook runterladen. Außerdem können Sie sich für eines meiner Webinare anmelden. Wenn Sie besondere Wünsche oder Anregungen zum Podcast haben, dann würde ich mich sehr über eine E-Mail freuen. Die E-Mail-Adresse ist: podcast@krisenmeisterei.at.

Das war’s für heute. Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Vielen Dank fürs Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge!

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