Thomas Prinz, M.A.   |   office@krisenmeisterei.at   |   +43-699 180 38 501

Episode 12: Helden, Menschen und die Krise – Transkript

Hallo,

ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at.

Ich helfe Verantwortlichen Krisen souverän und kompetent zu meistern, damit diese nicht zu Ihrer persönlichen Tragödie werden. Mein heutiges Thema lautet: „Helden, Menschen und die Krise“. Meine persönliche Erfahrung ist: Zu viele Unternehmen, Organisation und Behörden verlassen sich darauf, dass ihr Management im Krisenfall heldenhaft agiert, dass das Führungsteam – das im Alltag einen top Job macht – auch in einer Krisensituation spielend mit jeder Situation fertig wird. Aber leider ist das nicht unbedingt so. Sie vergessen dabei, dass auch Krisenmanager nur Menschen sind – und ehrlich gesagt ist das auch gut so.

Ich persönlich würde mir keinen Helden als Krisenmanager wünschen. Denn: Ein Held – der gibt nicht auf. Der wird alles tun, um nicht zu verlieren. Der Archetyp des Helden kann zu ehrgeizig und kontrollierend sein. Der hat die Mentalität „Augen zu und durch“. „Ohne Rücksicht auf Verluste“. Benötigt wird aber ein Krisenmanager, ein Krisenmanagement-Team, das umsichtig agiert, erfahren ist, mit Augenmaß handelt. Sich an den Führungsgrundsätzen orientiert, die ich in einer anderen Folge meines Podcast schon vorgestellt habe. Und die sich auch natürlich ganz besonders an den Unternehmenswerten und an den Unternehmenszielen orientiert.

Ja, wir haben es tatsächlich einfach mit Menschen zu tun, die ihre Stärken und Schwächen haben. Und diese Stärken und Schwächen definieren sich für mich aus drei verschiedenen Dispositionen: der generellen, der speziellen und der situativen Disposition.

Zur generellen Disposition zähle ich Dinge wie den Bildungsstand – einerseits die Allgemeinbildung, andererseits aber auch Wissen und Fertigkeiten, die innerhalb des jeweiligen Unternehmens, der Organisation, der Behörde relevant sind. Dazu gehört die eigene Lebenserfahrung, natürlich auch die Führungserfahrung. Diese drei Dinge – Bildungsstand, Lebenserfahrung und Führungserfahrung – erhöhen letztendlich die Kompetenz im Umgang mit Komplexität. Und eine Krise ist nun einmal in jedem Fall ein komplexes Ereignis. Ja, und dann gehören zu generellen Disposition natürlich auch psychische, mentale Eigenschaften, wie z.B. das eigene Selbstwertgefühl.

Zur speziellen Disposition: Dazu gehört für mich natürlich das Wissen über Krisenmanagement, und ganz wichtig auch die eigenen Erfahrungen im Krisenmanagement. Sei es, dass sie aus Übungen oder auch aus der Bewältigung, dem Durchleben von tatsächlichen Krisen stammen. Dann gibt es noch die situativen Disposition.

Situative Disposition, das bedeutet: Wie geht es mir an dem jeweiligen Tag? Wie stehe ich, wo stehe ich an dem jeweiligen Tag? Dazu gehört der Gesundheitszustand, die emotionale Tagesverfassung, wie geht es mir heute in meinem persönlichen privaten Umfeld. Alle diese drei Disposition und zusammen – die generelle, die spezielle und die situative – bestimmen letztendlich wie gut ich für das Krisenmanagement geeignet bin. Generell, aber auch ganz besonders an dem Tag, in der Minute, in der Sekunde wo die Krise eintritt.

Ja, der „Wunsch-Krisenmanager“ ist natürlich gebildet, spezifisch ausgebildet, erfahren, fit und gesund, über jegliche emotionale Instabilität erhaben und hat nie einen schlechten Tag. Die Realität schaut natürlich anders aus: Auch Krisenmanager sind „nur“ Menschen, haben schlechte Tage, vergessen Dinge. Ja, rein deshalb sind schon regelmäßige Schulung, regelmäßiges Training, regelmäßiges Üben wichtig. Und umso wichtiger, um die Verfügbarkeit der notwendigen Kompetenzen auch jederzeit sicherzustellen.

Wenn ich sage „auch Krisenmanager sind nur Menschen“, dann bedeutet das, dass das natürlich auch spezielle Herausforderungen mit sich bringt. Die man im Wesentlichen zusammenfasst in dem Begriff „Human Factor“. Die Art, wie unsere Psyche funktioniert, wie wir uns in Gruppen verhalten kann ihm auch bei bestem Bemühen zu Fehlleistungen führen. Wenn – ja, wenn man nicht konkret dagegen angeht. Und dieses „konkret dagegen angehen“ funktioniert am besten über spezifisches Wissen.

Daher möchte ich Ihnen heute einige typische Mechanismen vorstellen, die uns nicht nur, aber ganz besonders auch in Krisensituationen begegnen und uns dort das Leben gehörig noch schwerer machen können als es ohnehin schon ist.

Der Klassiker schlechthin ist einmal das Gesetz von Murphy, „Murphy’s Law“. Das besagt in der ursprünglichen Fassung: „Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonstwie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.“ Ja, später wurde das dann reduziert auf die allgemein bekannte Formel: „Alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Das klingt so apodiktisch, so „ja, man hatte keine Chance dagegen anzugehen“. Stimmt nicht ganz. Denn es wurde erwiesen, dass diese reduzierte Formel – „Alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“ – nur für sogenannte geschlossene Systeme gilt. Also nicht, wenn auf die Handlungen aktiv Einfluss genommen werden kann und aktiv Einfluss genommen wird. Was wiederum zeigt, wie wichtig eine gute Lageführung und Lagebeurteilung und Entschlussfassung sind. Dass führt auch zu den zwei wichtigsten Vorsorgemaßnahmen: Das sind einfach Übungen und After-Action Reviews. Beides habe ich bereits vorgestellt in meinem Podcast. Durch Übungen – regelmäßige Übungen – und After-Action Reviews können entsprechende Fehlerquellen im Krisenmanagement schon vor einer echten Krise entdeckt werden. Oder anders gesagt: Ohne Übungen und After-Action Reviews liefern sie sich dem Gesetz von Murphy zu 100% aus.

Ein weiteres Phänomen, das gar nicht so bekannt ist (das uns aber tatsächlich regelmäßig begleitet), ist der sogenannte „Gerechte-Welt-Glaube“: Menschen haben das Bedürfnis anzunehmen, dass jeder das bekommt, was er verdient. Oder umgekehrt: Das verdient, was er bekommt. Das heißt: wir wollen glauben, dass es klar erkennbare und vor allem auch einfache Ursache-Wirkungs-Beziehungen gibt. Wir tun uns wesentlich schwerer mit dem Zufall umzugehen oder mit hoher Komplexität. Das wirkt auf uns unangenehm oder bedrohlich. Ist aber trotzdem häufig die Realität. Und genau dieser Realität müssen wir uns im Krisenmanagement stellen. Für den Alltag mag der Gerechte-Welt-Glaube unserer Psyche helfen, mit allen möglichen Dingen umzugehen. Aber im Krisenmanagement kann er einfach fatal sein. Wenn wir uns dazu verführen lassen, dass keine Krise eintritt solange wir unsere Arbeit gut und korrekt machen, dann ist es nur eine Frage der Zeit bis wir bitter enttäuscht und von einer Krise nach der anderen überrascht werden. Und auch während des aktiven Krisenmanagements es ist wichtig, dass nicht davon ausgegangen wird, dass gut geplante Maßnahmen auch gut wirken.

Das heißt, wir müssen immer darauf vorbereitet sein, dass sich die Lage unerwartet und plötzlich verändern, entwickeln kann. Ja, was tun wir vorbeugend, was tun wir generell, damit wir speziell im Krisenmanagement nicht diesem Gerechte-Welt-Glaube verfallen.? Ganz wichtig ist zunächst einmal das Wissen über diesen Zusammenhang. Und daneben auch das Wissen über die Komplexität im eigenen Unternehmen, Organisation, Behörde. Der Abhängigkeiten innerhalb meiner Organisation – aber auch nach außen. Und dann, im Fall einer konkreten Krisenbewältigung, die offene und transparente Lagedarstellung, möglichst in Echtzeit: Was geschieht, wie entwickelt sich meine Situation. Und eine klare Trennung von harten Fakten und reinen Annahmen. Denn im Krisenmanagement müssen wir immer wieder auch Annahmen treffen, weil wir einfach auch zu wenig Informationen, zu wenig konkrete harte Fakten wissen. Wichtig ist allerdings, dass solche Annahmen auch als Annahmen erkennbar sind und es bleiben. Nur zu oft geht dieses Attribut verloren. Dann werden aus Annahmen plötzlich harte Fakten. Was letztendlich zu sehr bösen Überraschungen führen kann, weil dann unser Lagebild plötzlich nicht mehr mit der Realität übereinstimmt.

Ein weiteres Phänomen, dass uns im Krisenmanagement zu schaffen machen kann, ist das sogenannte Risikoschubphänomen oder Risky Shift. Was bedeutet das? Nun, Gruppen tendieren dazu, risikofreudiger zu entscheiden als die jeweils in dieser Gruppe zusammengefassten Einzelpersonen. Es kommt auch leichter zu Polarisierungen. Besonders gefährlich ist das natürlich in einem Krisenstab. Dort wollen wir möglichst wohl durchdachte, ausgewogene Entscheidungen und keinen besonders großen Risikoappetit oder plötzliche Polarisierungen. Was tut man also dagegen? Wichtig ist, dass es im Vorfeld – also z.B. im Krisenmanagementplan – klare Vorgaben für Entscheidungsrahmen gibt. Zum Beispiel einen Wertekatalog, Zielkatalog. Und natürlich wiederum Übungen und After-Action Reviews. Meine Erfahrung zeigt ganz klar: Kommt ein Krisenstab zum ersten Mal bei einer echten Krise zusammen und sind nicht zumindest der Großteil der Stabsmitglieder besonders geschult und erfahren, so tritt dieses Phänomen, dieses Risikoschubphänomen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auf.

Ein anderes Phänomen, das sehr gefährlich Auswirkungen haben kann, ist die sogenannte Normalitätsbias oder „Normality Bias“. Wir Menschen neigen dazu Situation so lange wie möglich mit Normalität zu verknüpfen. Wenn wir nicht speziell ausgebildet und trainiert sind, erkennen wir eine Katastrophe meist erst viel zu spät, wenn kaum noch ein Ausweg besteht. Es ist diese Grundhaltung „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“. Das ist eine sehr gefährliche Eigenschaft. Ein Beispiel: Menschen nach der Notlandung eines Flugzeugs stehen sehr häufig einfach in Ruhe auf, nehmen ihr Handgepäck. Obwohl sie das zurücklassen sollten und einfach so schnell wie möglich aus dem Flugzeug verschwinden sollten. Man versucht, mit normalen Alltagsmitteln eine Situation zu beherrschen, die eigentlich nicht mehr beherrschbar ist. Objektiv betrachtet führt das zu völlig irrational erscheinenden Handlungen. Sind wir dieser Normality Bias ausgeliefert? Nein, definitiv nicht! Auch hier wieder gilt: Üben, Üben, Üben.

Und das gilt ganz speziell für die Menschen, an denen es liegt eine Krise zu erkennen. Wenn für diese Menschen eine mögliche Krise auch Teil der möglichen Normalität ist, werden die notwendigen Maßnahmen viel früher getroffen. Außerdem sollte man, wo immer das möglich ist, klare Grenzwerte definieren, ab denen spezielle Maßnahmen – Krisenmanagement-Maßnahmen – getroffen werden müssen. Aber auch da gilt es zu bedenken: Ohne regelmäßige Übungen werden mit einer sehr sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch Überschreitungen dieser Grenzwerte in Kauf genommen. Mit der Überzeugung: Es wird gleich wieder alles gut, es ist eigentlich eh alles normal, das ist jetzt nur Zufall, das ist jetzt alles nur vorübergehend.

Ja, und das letzte Phänomen, das ich heute vorstellen möchte, ist etwas, was mir bei jeder Übung, bei jeder realen Krise begegnet. Das ist das unbewusste Auffüllen von Informationslücken. Wir können nicht „nicht“ denken. Wenn uns in einer Information ein kleines Detail, ein kleiner Baustellen fehlt und wir es uns nicht bewusst sind, dann füllen wir diese Lücke völlig unbewusst mit der uns am wahrscheinlichsten erscheinenden Möglichkeit auf. Das Ergebnis: Diese automatische Auffüllung – die kann jetzt wahr oder falsch sein – erscheint uns aber als Fakt. Und wird auch eben als Fakt weitergegeben. Was kann ich dagegen tun? Das ist einer der vielen Gründe, warum Dokumentation im Krisenmanagement wirklich enorm wichtig ist. Nur wenn ich die wesentlichen Informationen, die ich erhalte, auch dokumentiere, kann ich im Nachhinein jederzeit überprüfen was ich jetzt wirklich weiß und was ich mir letztendlich nur einbilde. Natürlich gibt es noch viel mehr Phänomene, die man unter dem Begriff „Human Factor“ zusammenfassen kann.

Allen gemeinsam ist aus meiner persönliche Überzeugung: Ohne diese Trias „Ausbildung – Übungen – After-Action Review“ sind wir diesen Phänomenen, dem Human Factor, mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Aber diese Trias (Ausbildung/Schulung – Übungen – After-Action Reviews), das muss auch regelmäßig immer wieder geschehen. Denn wenn wir uns in der Krisensituation auf einen strahlenden Helden verlassen, der uns schon irgendwie raus boxt, riskieren wir letztendlich unsere Existenz.

Soweit für heute zum Thema „Helden, Menschen und die Krise“. Wenn sie etwas nachlesen wollen, dann finden sie Shownotes, ein Transkript und weitere wertvolle Infos wie immer auf krisenmeisterei.at. Dort können Sie auch meinen Newsletter abonnieren oder mein eBook runterladen. Außerdem können Sie sich für eines meiner Webinare anmelden. Wenn Sie besondere Wünsche oder Anregungen zum Podcast haben, dann würde ich mich sehr über eine E-Mail freuen. Die E-Mail-Adresse ist: podcast@krisenmeisterei.at.

Das war’s für heute. Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Vielen Dank für’s Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge.

⇒ Zurück zur Episode