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Episode 9: Keine(r) geht hin – Transkript

Hallo,

ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at.

Ich helfe Verantwortlichen Krisen souverän und kompetent zu meistern damit diese nicht zur persönlichen Tragödie werden. Eine ganz wichtige Voraussetzung dafür ist natürlich ein gut geplantes, gut geübtes und letztendlich auch gut durchgeführte Krisenmanagement. Was braucht es dafür? Nun in erster Linie kompetente Mitarbeiter: Kompetente Mitarbeiter in der Planung, bei der Übung und – ganz wichtig – letztendlich im Fall einer Krise.

Genau da liegt aber auch das Problem. Denn die klassische Annahme von vielen Unternehmern ist: Meine Mitarbeiter stehen entsprechend meiner geplanten Kapazität zur Verfügung. Jederzeit. Immer. Rund um die Uhr. Das kann zu einem wirklichen Problem werden, gerade in Krisenmanagement. Denn was häufig vergessen, übersehen, nicht eingeplant wird, ist, dass die Ursachen vieler akuter Krisen meine Mitarbeiter letztendlich auch selbst zu Betroffenen machen.

Natürlich es gibt Krisen, die z.b. durch den Ausfall eines Lieferanten hervorgerufen werden. Dass ein Lieferant in Konkurs geht, dass es Lieferengpässe gibt. Ja, das ist im Regelfall kein privates Problem für die Mitarbeiter. Das heißt, da steht die betriebliche Bewältigung auch in den Gedanken, in den Emotionen, den Gefühlen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vordergrund.

Anders schaut es dann zum Beispiel aus, wenn die Ursache für meine Krise ein schwerer Sturmschaden ist. Wenn ein Flächenbrand das Unternehmen bedroht, wenn ein Erdbeben passiert ist. Wenn womöglich sogar aus dem Unternehmen selbst giftige Substanzen austreten. Dann werden Mitarbeiter schnell zu Betroffenen. Und was für die Verfügbarkeit der Mitarbeiter womöglich noch schlimmer sein kann, ist, wenn die eigene Familie betroffen ist. Dann stellt sich natürlich für jede einzele, für jeden einzelnen die Frage: Was hat die höhere Priorität? Das Unternehmen oder meine Familie? Ja, und es ist klar, dass die Antwort dann sehr häufig die Familie ist – nur zu verständlich.

Eine übliche Annahme von Unternehmen ist allerdings: Meine Mitarbeiter verhalten sich so, wie es im Krisenmanagementplan festgeschrieben steht, wie es in Notfallplänen festgeschrieben steht, und wie es auch immer wieder geübt wird – hoffentlich. Was ist aber, wenn jetzt meine Mitarbeiter Angst um ihr Leben haben? Oder – häufig noch dramatischer in der Auswirkung – wenn sie Angst um das Leben ihrer Familie haben? Wie wichtig ist ihnen dann der Krisenmanagementplan des Unternehmens noch= Und auch nicht zu unterschätzen: Was ist, wenn der Anruf von zu Hause kommt: „Komm sofort nach Hause, wir brauchen dich jetzt!“

Ich kann mich erinnern, vor etlichen Jahren gab es einen Katastropheneinsatz, natürlich mit vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern vor Ort, mit sehr viel Medienpräsenz, sehr viel Interesse der Öffentlichkeit. Und da trat ein Pressesprecher vor die Kameras, zur besten Haupthabendszeit. Und auf die Frage, wie es um die Sicherheit der eingesetzten Teams steht, sagte er: „Es herrscht durchaus Lebensgefahr für unsere Teams.“ Das war letztendlich allen eingesetzten Kräften vollkommen klar. Aber kaum war dieses Interview im Fernsehen gesendet, läuteten die Telefone bei ganz vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern – die Familien, die Angehörigen, die Freunde – mit dem ganz klaren, dringenden Appel „Bitte komm sofort nach Hause, wir wollen nicht dass du dein Leben dort weiter auf’s Spiel setzt!“ Und das brachte den Einsatz kurzfristig in eine sehr schwierige Phase.

Ja, das bedeutet: Bei Krisen, deren Ursache auch die Mitarbeiter selbst und vor allem auch Ihre Familie bedroht, da besteht die sehr reale Möglichkeit, dass die vertraglich selbstverständlich festgesetzten Pflichten des Arbeitnehmers zugunsten der Familie vernachlässigt bis komplett ignoriert werden. Kurz gesagt: Dei Ihnen herrscht Krise, aber es geht keiner hin!

Was kann man da dagegen tun? Der Klassiker bei den Lösungsansätzen ist die dienstrechtliche Drohung:“Du hast auch in dieser oder jener Situation unbedingt Deinen Dienst anzutreten und mitzumachen, Deine Aufgaben wahrzunehmen.“ Vereinzelt wird das sicher helfen, das ist keine Frage. Aber letztendlich löst das das Problem nicht. Denn wenn ich jetzt Mitarbeiter dazu zwinge, da zu sein, mitzumachen, nach dem Plan zu agieren – da ist es die Frage, wie qualitativ hochwertig, wie sicher diese Mitarbeit dann noch ist.

Ein weiterer wichtiger Lösungsansatz, der ohnehin immer beachtet werden sollte, ist die Mehrfachbesetzung für wichtige Positionen, für Schlüsselpositionen. Also dass ich für eine wichtige Position mindestens drei Mitarbeiter ausbilde, trainiere, regelmäßig üben lasse. Damit, wenn dann wirklich die Krise eintritt zumindest ein geschulter Mitarbeiter, zumindest eine geschulte Mitarbeiterin wirklich verfügbar ist. Das brauche ich auch unbedingt, wenn eine Krisensituation länger anhält. Wenn es hier zu Ablösen kommen muss. Also das ist prinzipiell eine gute Idee, nicht nur aus dem Aspekt der Betroffenheit von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern. Letztendlich muss ich ganz klar sagen: Wenn ich für eine Schlüsselposition einen einzigen Mitarbeiter, eine einzige Person vorsehe, dann habe ich dort einn Single-Point-of-Failure. Dann kann es – dann wird es zu der Situationkommen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt diese eine Person nicht verfügbar ist. Und das gefährdet dann letztendlich das gesamte Krisenmanagement meiner Organisation, meines Unternehmens.

Was man bei diesen Personalbesetzungen auch unbedingt bedenken sollte ist, dass man Konkurrenzsituationen vermeidet. Und dabei meine ich jetzt nicht die Konkurrenz zwischen einzelnen Mitarbeitern, sondern die Konkurrenz zwischen verschiedenen Rollen ein und des selben Mitarbeiters, ein und der selben Mitarbeiterin. Konkret es kommt immer wieder vor – und wird letztendlich auch sehr gerne gemacht – dass Personen, die als Führungskraft bei freiwilligen Einsatzorganisationen tätig sind, und daher auch viel Erfahrung und zusätzliche Ausbildung haben, mit Führungsaufgaben, mit wichtigen Aufgaben im eigenen Krisenmanagement betraut werden. Nur, man sollte sich dann schon die Frage stellen: Wenn jetzt eine Krise eintritt, deren Ursache eine öffentlich relevante ist, also eben z.b. ein Katastrophengeschehen, wo werden diese Personen dann wirklich tätig sein? Werden die dann bei mir im Unternehmen die Krise managen, oder werden die dann in der Einsatzorganisation tätig sein? Da ist es oft besser sich zu überlegen, ob derartige erfahrene Personen nicht ganz maßgeblich bei der Planung unterstützen können und dann für die Ausbildung, für die interne interne Ausbildung auf der Personen zur Führung stehen, die dann mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit im Unternehmen für das Krisenmanagement tätig werden können.

Ja, und was tue ich jetzt mit Mitarbeitern, was tue ich jetzt vor allem FÜR Mitarbeiter, die um ihre Familie fürchten? Ein erster Ansatz ist da natürlich: Was kann ich gegen diese Furcht tun? Ja, in der Situation selber nicht mehr allzu viel, aber speziell in der Vorbereitung. Denn eine häufige Grund für derartige Situationen ist letztendlich eine mangelnde Vorbereitung im privaten Bereich..

Das beginnt bei der mangelnden Information: Was bedeutet ein bestimmtes Szenario für mich konkret, als Privatperson, für meine Familie. Es geht dann weiter mit mangelnder Vorbereitungen, mangelnder Planung. Dass Personen, die im Unternehmen vielleicht sogar bei der Erstellung eines Krisenmanagementplans tätig sind, unterstützend tätig sind, vielleicht sogar federführend tätig sind, im privaten Bereich keine derartigen Plan haben. Plötzlich stellt sich die Frage in der konkreten Situation: Wer holt jetzt die Kinder ab? Wer kümmert sich um wen und was, etc? Dass das alles nicht vorbereitet ist. Ja, unter natürlich auch die mangelnde materielle Vorsorge. Was tue ich, wenn es zu Hause kein Wasser mehr gibt, keine Nahrung, keinen Strom, damit keine Heizung, und so weiter und so fort.

Ja, letztendlich kann ich die Angst um das eigene Leben und die Angst um die Familie nicht ganz ausschalten. Aber – jetzt speziell aus Sicht des Unternehmens – ganz klar: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die privat gut vorbereitet sind, werden sicher eher zur Verfügung stehen als solche, die schlecht oder gar nicht vorbereitet sind.

Meine ganz klare Empfehlung: Nach der Analyse, welche Ereignisse, welche Szenarien zu einer Krise für Ihr Unternehmen führen können, machen Sie eine zweite Analyse: Wie weit führen diese Szenarien, diese Ereignisse zu einer Betroffenheit, zu einer Bedrohung für meine Mitarbeiter und deren nächsten Angehörigen. Und wenn eine derartige Bedrohung gegeben ist, dann machen Sie eine realistische Einschätzung: Wie viele Mitarbeiter, wie viele Mitarbeiterinnen werden dem Unternehmen in dieser Situation wirklich noch zur Verfügung stehen? Wer wird kommen, wer wird da bleiben? Natürlich, wie gesagt, es gibt die Verlockung, dann eine vertragliche Bindung festzulegen und zu sagen: Ja, ihr müsst auf jeden Fall kommen! Aber wie gesagt: Der tatsächliche Erfolg ist fraglich.

Also ich empfehle hier wirklich, sehr realistisch, sehr hart einzuschätzen: Wer wird wirklich zur Verfügung stehen? Das ist dann letztendlich die beste Grundlage für eine gute Planung. Es wird sich dann natürlich sofort die Frage stellen: Wie kann ich diese Anzahl steigern? Wie kann ich dafür sorgen, dass mehr Mitarbeiter zur Verfügung stehen, wenn es mit Zwang, wenn es mit vertraglichen Bindungen alleine nicht geht. Da ist meine Empfehlung: Überlegen Sie sich Vorsorgeprojekte für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das beginnt mit Information: Was bedeuten bestimmte Situationen für mich, für meine Familie? Dass Sie sensibilisieren, dass Sie informieren: Wie kann ich mich als Privatperson vorbereiten? Was sollte ich vielleicht anschaffen, bevorraten? Das könnte so weit gehen, dass Sie als Unternehmen, als Organisation eine Aktion veranstalten und über gemeinsame Beschaffung – vielleicht sogar mit finanzieller bzw. wirtschaftlicher Unterstützung – die Bevorratung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschaffen. Das sind alles einfach nur so Anregungen für Ideen, für Gedankenexperimente. Definitiv sicher kann ich sagen: Durch die Steigerung der Resilienz meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigere ich die Resilienz meines Unternehmens. Das ist gesichert, das ist ganz klar.

Ja, ich könnte letztendlich noch einen Schritt weiter gehen: Ich kann mir überlegen, ob nicht mein Unternehmen eine Art „Sicherheitsinsel“ für die Familien meiner Mitarbeiter sein kann. Nehmen wir als Beispiel das Blackout, das Szenario Blackout: Also ein langanhaltender, überregionaler Stromausfall. Da gibt’s in den Privathaushalten für gewöhnlich keine Heizung mehr, keine Telekommunikation, keinen Strom. Die Logistik bricht zusammen, daher kann ich nichts mehr einkaufen. Ich bekomme auch kein kein Bargeld mehr weil die Bankomaten ausgefallen sind. Und so weiter und so weiter. Ein sehr dramatisches, aber letztendlich leider auch sehr wahrscheinliches Szenario.

Wenn ich jetzt als Unternehmen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit anbieten würde, ihre nächsten Verwandten auf das Firmengelände zu bringen – dort habe ich dann Heizung, Wasser, Nahrung, Notunterkunft, das Allernotwendigste zum Überleben – also, das steigert mit Sicherheit die Bereitschaft in so einer Situation für das Unternehmen verfügbar zu sein und verfügbar zu bleiben. So etwas könnte ich mir jetzt durchaus für verschiedene Bedrohungsszenarien überlegen, analysieren und das in meine Planungen mit einfließen lassen.

Ja, das kostet natürlich Geld, das ist keine Frage. Aber es ist unter Umständen die einzige Chance, in einer absolut bedrohlichen Situation genug Personal für das Überleben des Unternehmens, für das Überleben meiner Institution zur Verfügung zu haben.

Sind solche Maßnahmen eine Garantie für ausreichend verfügbares Personal? Nein, Garantie sind sie natürlich nicht. Aber ich erhöhe mit Sicherheit die Wahrscheinlichkeit, dass ich genug oder mehr Personal zur Verfügung habe, signifikant. Ja, und es hat andere Effekte: Solche Planungen, solche Maßnahmen zeigen auch sehr deutlich, welche Wertigkeit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mein Unternehmen, für meine Instituation haben.

Ich kann es ja auch als wichtiger Beitrag im Sinne der Corporate Social Responsibility, der CSR, sehen. Letztendlich: Die erhöhte private Resilienz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht die Resilienz der lokalen Gesellschaft. Und damit hätten derartige Aktivitäten, derartige Aktionen auf jeden Fall auch positive Auswirkungen auf das direkte Umfeld des Unternehmens. Ja, und es kann auch im Sinne des heute sehr aktuellen Employer-Brandings eine wertvolle Unterstützung sein.

Also, meine klare Empfehlung: Wenn es um die Planung der Verfügbarkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krisenfall geht – nicht einfach „Augen zu und durch“. Nicht mit einer automatischen Verfügbarkeit planen. Belügen sie sich nicht selber, planen Sie realistisch. Bauen sie keine Single-Points-of-Failure ein – es braucht für jede Position kompetente Alternativbesetzungen. Beziehen sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Planungen ein, und zwar in ihrer Gesamtheit. Also auch als private Person mit privaten Bedürfnissen. Fördern sie die Resilienz, nämlich auch die private Resilienz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das wird sich letztendlich ganz klar auch auf die Planungssicherheit Ihres Unternehmens, Ihrer Organisation auswirken.

Soweit für heute zum Thema „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin.“ Wenn Sie etwas nachlesen wollen, dann finden sie Shownotes sowie ein Transkript und weitere wertvolle Infos auf meiner Website krisenmeisterei.at. Dort können Sie auch meinen Newsletter abonnieren oder mein eBook runter laden. Wenn Sie besondere Wünsche oder Anregungen für den Podcast haben, dann würde ich mich sehr über ein eMail freuen. Die Mailadresse: podcast@krisenmeisterei.at. Das war’s für heute! Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Vielen Dank für’s Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge.

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