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Episode 6: Dokumentation – Transkript

Hallo ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at.

Ich helfe Verantwortlichen Krisen souverän und kompetent zu meistern damit diese nicht zu Ihrer persönlichen Tragödie werden. Heute geht es um das Thema Dokumentation im Krisenmanagement. Unzählige Male habe ich schon von angehenden Krisenmanagern oder Einsatzleitern die Aussage gehört: „Ich habe wenig Zeit mit viel zu wenig Informationen, um Entscheidungen zu treffen – um Entscheidungen rasch zu treffen. Das Gericht hat danach Jahre, alles auseinander zu nehmen.

Das ist prinzipiell eine durchaus verständliche Angst. In akuten Krisensituationen ist es ja tatsächlich meist so, dass zwei wichtige Dinge fehlen: Zeit und umfassende Information. Es kann also durchaus dazu kommen, dass eine Entscheidung getroffen wird, die sich später als nicht optimal oder sogar schlichtweg als falsch herausstellt. Da es bei Krisen um existentielle Bedrohungen geht, können solche Entscheidung auch durchaus fatale Auswirkungen haben. Im Extremfall verlieren Menschen ihre Existenz – oder sogar ihr Leben. Kann man verhindern dass solche Entscheidungen getroffen werden? Leider nicht zu 100%.

Das Informationsmanagement gehört nämlich zu den größten Herausforderungen im Krisenmanagement. Zum Einen geht es darum, korrekte und zuverlässige Informationen zu erhalten. Zum Anderen besteht natürlich üblicherweise ein großer Zeitdruck. Entscheidungen können nicht immer warten bis alle möglichen Informationen eingeholt und mehrfach überprüft worden sind. Dazu kommt noch, dass viele dieser Entscheidungen strategischer Natur sind. Das heißt, dass ihre Auswirkungen oft nur eingeschätzt, aber nicht exakt vorherbestimmt werden können,

Was also, wenn sich nach umfassende Bewertung aller irgendwann später verfügbarer Daten herausstellt, dass eine andere Entscheidung besser gewesen wäre? Eine ganz eindeutige Antwort auf diese Frage gibt die Europäische Norm CEN/TS 17091. Und zwar steht dort wörtlich: „Es ist wichtig, dass Krisenmanager verstehen, dass es bei Überprüfungen nach der Krise nicht darum geht ob eine Entscheidung korrekt war, sondern ob sie in Anbetracht des damaligen Kenntnisstands vertretbar ist oder nicht.“ Im Krisenmanagement getroffene Entscheidungen sind also nach dem Informationsstand zum Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen, nicht nach dem Wissen dass wir irgendwann Monate später erlangt haben.

Wem jetzt allerdings der Spruch „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“ einfällt, der sei wiederum gewarnt: Laut der bereits zitierten Norm ist es nämlich eine essentielle Aufgabe der Krisenmanagementplanung für ein gut funktionierendes Informationsmanagement zu sorgen. Drüber werde ich ziemlich sicher eine eigene Podcast-Folge gestalten. Hier nur einmal soviel: Eine Organisation muss in der Lage sein, relevante Informationen in der Krise zu identifizieren und zu sammeln, diese Informationen zu bewerten bzw. zu analysieren und sie dann auch rasch an die notwendigen Stellen zu kommunizieren, Ja, und das alles muss vorbereitet werden, also in der Krisenmanagementplanung berücksichtigt werden. Wurde das verabsäumt, dann kann man sich bei falschen Entscheidungen nur schwer auf fehlende Informationen ausreden – da man ja nicht ausreichend dafür gesorgt hat, dass dieser Fall möglichst nicht eintritt.

Aber gehen wir jetzt mal davon aus, dass ein brauchbares Informationsmanagement installiert worden ist. Wie kann man nun später beurteilen, welcher Kenntnisstand konkret in welcher Situation vorlag und damit Grundlage welcher Entscheidung war? Hier kommt jetzt die Dokumentation im Spiel. Es ist unerlässlich, dass jeglicher Sachverhalt, der sich auf Entscheidungen bzw. Aktionen auswirkt oder auch nur auswirken kann, aufgezeichnet wird – natürlich mit genauer Zeitangabe. Nur so lässt sich später der konkrete Informationsstand in einer bestimmten Situation beurteilen – im Extremfall durch ein Gericht.

Heißt das, wir brauchen Dokumentation nur für den Fall eines späteren Gerichtsverfahrens? Nein, definitiv nicht. Aber das ist der Punkt, der meiner Erfahrung nach angehenden Krisenmanagern am meisten Sorgen bereitet: Eben die unterschiedliche Einschätzung einer Lage während des Geschehens einerseits, andererseits dann viel später.

Aber es gibt noch zumindest drei weitere wichtige Gründe für eine gute Dokumentation. Grund Nummer 1 und 2 liegen in unserer menschlichen Psyche bedingt: Mit steigendem Stresslevel sinkt unsere Merkfähigkeit. Damit stimmt unsere Selbsteinschätzung aber häufig nicht mehr. Man meint: „Das merke ich mir.“ Und vergisst es dann doch. Außerdem erhält man in einer Krisensituation oft sehr rasch hintereinander wichtige Informationen, die man erst später wirklich abarbeiten kann. Und sie bis dahin leider auch gleich wieder vergisst.

Ein weiterer Grund, warum Dokumentation wichtig ist: Das menschliche Gehirn kann es sehr schwer mit Informationslücken umgehen, Fehlt uns Information, dann neigen wir dazu diese aufgrund unserer Erfahrung oder andere Annahmen zu ergänzen. Eine gute Dokumentation dagegen erlaubt es uns, jederzeit zu checken was wir wirklich wissen und was wir womöglich nur glauben zu wissen.

Der dritte wichtige Grund für gute Dokumentation: Man weiß zu Beginn einer Krise für gewöhnlich nicht, wie lange ihre Bewältigung dauern wird. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in seiner Rolle mit anderen Personen abwechseln muss, ist relativ hoch. Damit werden Dienstübergaben notwendig, bei denen die umfassende Informationsweitergabe natürlich eine wesentliche Rolle spielen muss. Ohne entsprechende Dokumentation ist das de facto aber unmöglich.

Wie sieht nun eine gute Dokumentation aus? Im einfachsten Fall wird handschriftlich festgehalten, wann welche Informationen von wem erhalten wurden oder welche Aktionen gesetzt wurden und ob bzw wie drauf reagiert wurde. Das ist eine einfache Tabelle mit vier Spalten. Und in dieser einfachen Form sollte die Dokumentation eigentlich von jeder Person geführt werden die an der Krisenbewältigung in irgendeiner verantwortlichen Position beteiligt ist. Natürlich geht das auf Organisationsebene dann weiter. So wird ein Krisenstab sämtliche eingehende und ausgehende Informationen – sei das via eMail, Telefonat, Fax, etc. – protokollieren; die Grundlagen von Entscheidungen werden festgehalten werden, sodass sie später überprüfbar sind. Aber im Grunde läuft es immer darauf hinaus: Was habe ich wann erfahren und wie habe ich darauf reagiert bzw auf Basis dieses Wissens agiert.

Es gibt natürlich – gerade für größere Organisationen – auch entsprechende Softwarelösungen. Die bringen selbstverständlich viel Komfort und können die Verteilung der Informationen enorm beschleunigen Aber ein wichtiger Tipp von meiner Seite: Achten Sie stets darauf, dass ihr Krisenmanagement auch bei einem Totalausfall der IT noch handlungsfähig bleibt. Das bedeutet z.b., dass elektronisch erfasste Informationen auch immer zeitgleich oder zumindest zeitnah ausgedruckt werden sollten.

Eine Unsicherheit, die beim Thema Dokumentation am Anfang häufig auftritt: Was muss ich eigentlich alles protokollieren? Die Frage, die immer wieder gestellt wird: „Muss ich auch dokumentieren, wenn ich aufs Klo gehe?“ Meine Antwort darauf ist: Es kommt drauf an… Wenn ich zum Beispiel alleine für die Entgegennahme von Telefonaten zuständig bin und mein Team durch meinen Klogang für eine gewisse Zeit unerreichbar wird, dann sollte ich das unbedingt dokumentieren. Wenn aber die einzige mögliche Auswirkung dieses Ereignisses meine persönliche Erleichterung ist, dann brauche ich das sicher nicht festzuhalten.

Die Faustregel lautet: Alles was für den Ablauf der Krise oder deren Bewältigung relevant sein kann, wird vermerkt. Spätestens dann kommt aber immer wieder das Totschlagargument: „Dafür habe ich ja keine Zeit!“ Meine Antwort darauf: Dafür muss ich mir Zeit nehmen! Denn mit jeder Information, die verloren geht, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Krisenbewältigung. Damit verliere ich zusätzliche Ressourcen, zusätzliche zeitliche Ressourcen. Weil ich unter Umständen einer Information, die schon mal hatte, noch mal nachlaufen muss, sie noch mal recherchieren muss. Daher sollte ich das Dokumentieren auch nie aufschieben sondern immer sofort – z.b. während eines Telefonat ist oder zumindest zwischen zwei Telefonaten – durchführen.

Ich empfehle daher auch jedem, der mit Krisenmanagement zu tun hat, immer Papier und Bleistift dabei zu haben. Papier, weil man dann von der IT ein wenig unabhängiger ist, und Bleistift, weil er auch bei Regen noch funktioniert. Das soll nicht heißen, dass elektronische Lösungen schlecht sind. Man sollte nur im Krisenmanagement nicht davon abhängig sein.

Wie halte ich das persönlich? ich selbst verwende natürlich auch immer tabellarische Protokolle. Zusätzlich visualisiere ich für mich wichtige Zusammenhänge immer mit einer Art Mindmap. Dies erleichtert es mir, den Überblick über meine Informationen zu behalten. Etwas Ähnliches kann man auch für Teams oder im Krisenstab einsetzen, das sogenannte „Command Board“. Dabei wird z.b. in der Mitte eines Whiteboards die Situation in Form einer Lagekarte dargestellt. Und rundherum geben die StabsmitarbeiterInnen in klar definierten Feldern ihre wichtigsten Informationen an. Eine Visualisierung die hilft, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und den Überblick zu behalten.

Ja, und noch ein wichtiger Tipp aus der Praxis: Wenn sie für ihre alltäglichen Besprechungen ein Notizbuch verwenden – nutzen Sie dieses nicht für die Dokumentation im Krisenfall. Halten Sie dafür immer in eigenes Buch, einen Block oder ein Heft bereit. Warum? Nun, wie gesagt, Ihr Protokoll kann später sogar Teil einer behördliche Untersuchung werden. Das heißt, nach der Krisenbewältigung sollten eigentlich alle Protokolle eingezogen und zentral erfasst werden – auch im Sinne einer umfassenden After Action Review. Damit würden aber auch Ihre persönlichen Aufzeichnungen, die eigentlich nichts mit der Küche selbst zu tun haben, in andere Hände gelangen. Daher immer ein eigenes Dokument für das Krisenmanagement verwenden.

Soweit für heute zum Thema Dokumentation im Krisenmanagement. Wenn sie etwas nachlesen wollen, dann finden sie Shownotes, ein Transkript und weitere wertvolle Informationen auf krisenmeisterei.at. Dort können Sie auch meinen Newsletter abonnieren oder mein eBook runterladen. Wenn Sie besondere Wünsche oder Anregungen haben, dann würde ich mich sehr über ein eMail freuen. Meine eMail-Adresse: podcast@krisenmeisterei.at.

Das war’s für heute! Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Vielen Dank fürs Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge.

 

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