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Episode 2: Führungsstrukturen – Shownotes

Für die Bewältigung einer akuten Krise braucht es eine eigene Führungsstruktur. Will man für die eigene Organisation, Kommune oder das eigene Unternehmen eine entsprechende Struktur aufbauen oder anpassen, dann ist ein guter Ansatz, sich zunächst die verfügbaren Standards anzusehen.

In dieser Episode stelle ich drei solche Standards vor:

  • Das Stab-System des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements in Österreich (SKKM) – in Deutschland gibt es sehr ähnliche Entsprechungen.
  • Das Incident Command System (ICS) aus den USA
  • Den Krisenstab aus der CEN/TS 17091.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit des „einsamen Wolfs“ – des Krisenmanagers, der eine Krise alleine abarbeitet. Der ist dann zwar schnell mit seinen Entscheidungen zur Hand – er muss sich ja mit niemandem abstimmen – kommt aber sehr rasch an seine Grenzen. Und stellt selbst einen Flaschenhals dar.

Daher braucht es bei einer „echten“ Krise eigentlich immer einen unterstützenden Stab. Wobei die Ansichten – je nach System – darüber auseinander gehen, ob der Stab „nur“ unterstützt oder selbst auch Führungsverantwortung trägt.

In der Episode gehe ich etwas genauer auf die drei Systeme ein (kann auch im Transkript nachgelesen werden). Hier die Besonderheiten der drei Systeme:


SKKM

Dieses System kommt aus der Welt des Militärs und der Einsatzorganisationen. Dementsprechend werden solche Organisationen oder ähnlich organisierte Unternehmen damit sehr gut fahren. Flach strukturierte Unternehmen werden damit aber eher Probleme haben.

In diesem System gibt es eine/n Leiter/in. Es/sie fällt allein-verantwortlich alle Entscheidungen, erteilt Aufträge, übt die Kontrolle aus und berichtet an Vorgesetzte. Der Krisenstab selbst hat nur beratende Funktion.

Eine Besonderheit: Eine Stelle im Stab, das Sachgebiet 4 „Versorgung“, ist für alle Elemente der Beschaffung (Bestellung, Abnahme der Lieferung, Verrechnung) verantwortlich – u.U. sogar in Form einer einzelnen Person. Das kann durchaus gegen interne Richtlinien von Unternehmen oder Organisationen verstoßen.


Incident Command System (ICS)

Das ICS baut auf Managementfunktionen anstatt auf Verantwortlichkeiten auf: Leitung, Umsetzung („Operations“), Planung, Logistik und Finanz & Administration. Die Leitung wird durch Öffentlichkeitsarbeit, Verbindung (z.B. mit anderen Organisationen) und Safety-Officer (Arbeitssicherheit, etc.) unterstützt. Dabei ist dieses System extrem skalierbar: Von einer einzelnen Person, die sämtliche Funktionen wahrnimmt, bis zu einem großen Stab mit zig MitarbeiterInnen.

Im Gegensatz zum SKKM-System sind hier (zumindest im „Vollausbau“) die Beschaffungsfunktionen auf verschiedene Stellen aufgeteilt.

Das Besondere an diesem System ist, dass strategische, dispositive und operative Ebene einbezogen sind. Vor allem wenn für die Krisenbewältigung eigene operative Teams zusammengestellt werden müssen, hat dies klare Vorteile.

Außerdem wurde dieses System über viele Jahre schon in sehr vielen Katastrophen und Krisensituationen erprobt, speziell in der zivilen Anwendung. Dadurch sind schon sehr viele „Lessons Learned“ eingearbeitet. Praktisch ist auch, dass es ein komplettes Dokumentationsset für alle Standardgeschäftsfälle gibt. Dieses kann sehr leicht adaptiert werden und hilft sehr, wenn man eine solche Struktur von Null aufbaut.


CEN/TS 17091

Dieses System ist besonders nahe an der üblichen Unternehmensstruktur angesiedelt. Der/Die Leiter/in führt den Krisenstab und „fungiert als Hauptansprechpartner für die operativen Elemente der Krisenreaktion“. Der eigentliche Krisenstab beseht zunächst einmal aus den Stellen Personalwesen, Betrieb, Recht, Kommunikation und Finanzen. Wobei nicht klar definiert ist, ob der Stab selbst nur berät oder die einzelnen Stellen ihre Fachgebiete auch aktiv, also operativ, führen. Da sind aus meiner Sicht beide Interpretationen möglich.

Dazu kommt der/die sogenannte/n Tagebuchführer: Diese Stelle ist verantwortlich für die Dokumentation von Entscheidungen und Maßnahmen – sehr wichtig, z.B. für die Übersicht während einer Krise oder die Dienstübergabe bei längerdauernden Lagen. Diese Dokumentation – die auch in den anderen Systemen vorgesehen ist, nur jeweils anders heißt – ist aber auch wichtig für spätere mögliche Untersuchungen und Ermittlungen. Ihr kommt also ein sehr hoher Stellenwert zu – ich werde darauf noch in einer eigenen Podcast-Episode eingehen.

Schlussendlich kann dieser Krisenstab noch durch einen Beauftragten für Betriebskontinuität, andere Betriebsstäbe (= interne Expertenstäbe) sowie eine Unterstützungsgruppe für administrative Tätigkeiten verstärkt werden.


Welches System soll man nun anwenden, wenn man die Wahl hat? Nun, als erste würde ich mich fragen: Welches System ist am ehesten kompatibel zu meinen bestehenden Strukturen und Abläufen. Behörden und Kommunen werden sich beispielsweise eher am SKKM-Modell orientieren. Brauche ich eigene, spezielle operative Teams für die Krisenbewältigung, dann greife ich tunlichst zum ICS. Soll die Krise im Wesentlichen in der normalen Struktur durch ein spezielles Management-Team bearbeitet werden, dann bin ich in der CEN/TS 17091 sehr gut aufgehoben.

Ganz gleich, für welches System ich mich entscheide: Alle drei Systeme sind skalierbar und können, ja müssen sogar an die konkreten Erfordernisse angepasst werden. Wichtige Eckpunkte bei dieser Anpassung sind:

  • Es muss immer eine/n verfügbaren bzw. erreichbaren verantwortlichen Krisenmanager geben. Immer! Eine Organisation, die sich auf eine bestimmte physische Person verlässt (die im Ernstfall womöglich nicht verfügbar oder erreichbar sein kann) ist definitiv nicht krisenfit!
  • Der Zugriff auf relevante Daten (natürlich immer im Rahmen der geltenden Gesetze) muss jederzeit rasch möglich sein.
  • Ein Krisenstab muss fachlich und personell ausreichend besetzt werden. Zu klein, und das Team wird rasch überfordert. Zu groß, und eine zu hohe Komplexität verschlimmert die Situation.

Wie wird die Anpassung nun konkret durchgeführt? Wieder in den 6 Phasen meines Programm KRISENkompetenz:

  • Konzeptionieren
  • Ressourcieren
  • Implementieren
  • Simulieren
  • Evaluieren
  • NetzwerkenErstellen

Wenn sie Wünsche oder Anregungen haben, freue ich mich wie immer über eine Email: podcast@krisenmeisterei.at

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