Hallo, ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Ich helfe Führungskräften Krisen souverän und kompetent zu meistern, damit diese nicht zu ihrer persönlichen Tragödie werden.
Heute geht es um die 5 häufigsten Fehler im Krisenmanagement. Wobei ich eines gleich sagen muss: Das wird keine “Hitparade” mit aufsteigender Wichtigkeit. Vielmehr habe ich bei der Recherche für diese Episode einmal für mich zusammengetragen, was immer wieder dazu führt, dass Notfall- oder Krisenmanagement versagen. Oder zumindest nicht so gut ablaufen, wie es sein könnte oder sollte. Das Tragische dabei: Die meisten Fehler könnte man tatsächlich vermeiden. Was natürlich gleich zur Frage führt: Warum tut man das denn dann nicht? Nun, ich sehe da im Wesentlichen zwei Hauptgründe: Inkompetenz und Arroganz, meist sogar in Kombination. Manche Führungskräfte sind einfach felsenfest von der eigenen Managementfähigkeit überzeugt und kommen gar nicht auf die Idee, dass Notfälle und Krisen mitunter andere Vorgehensweisen benötigen als der Alltag. Und sind dann, wenn der Karren tief im Dreck stecken bleibt, oft auch noch bitter böse auf die Mitarbeiter, die nicht funktionieren. Aber schauen wir uns meine Top Five der Krisenmanagementfehler jetzt einmal konkret an:
Als erstes kommen mir hier mangelnde Vorbereitung und fehlende Notfallpläne in den Sinn. Ja, es gibt sie nach wie vor, die Haltung: “Irgendwie haben wir immer alles geschafft – das wird auch weiter so sein!” Und gleichzeitig muss man auch zugestehen, dass Menschen, die für ihre Alltagsaufgaben bereits zu wenig Arbeitszeit zugestanden bekommen, sich dann nicht auch noch zusätzlich – vielleicht sogar unbezahlt in der Freizeit – um die Vorbereitung auf Notfälle und Krisen kümmern. Es ist leider wirklich oft so: “Alltag schlägt Krisenvorbereitung”. Dass das einem Unternehmen, einer Organisation oder Behörde irgendwann einmal auf den Kopf fallen wird ist natürlich absolut klar. Aber: Mit jedem Tag, wo das nicht geschieht, wächst die Hoffnung, dass doch alles irgendwie gut gehen wird. Was natürlich ein riesiger Trugschluss ist. Und mitunter ein sehr tragischer Trugschluss. So waren die furchtbaren Auswirkungen der Überschwemmungen in Deutschland im Jahr 2021 zu einem guten Teil auf fehlende oder veraltetete Notfallpläne oder auf nicht funktionierende Vorwarnsysteme zurückzuführen. Diese tragischen Erfahrungen haben dazu geführt, dass mittlerweile an vielen der erkannten Defizite gearbeitet wurde. Das Problem ist nur: Wenn jetzt alles aktuell ist und wieder funktioniert, dann besteht leider die Gefahr, dass in absehbarer Zeit – meist sind das so ca. 5 Jahre – wieder das trügerische Gefühl der Sicherheit einkehrt und dann eben genau diese Vorbereitungen und laufenden Aktualisierungen wieder niedriger priorisiert werden. Denn all das kostet natürlich auch Geld. Wie heißt es so treffend: “There is no glory in prevention.” – “Vorbeugen bringt keinen Ruhm.” Und dann geht es mit dem Vorbereitetsein wieder bergab. Es ist also nicht nur wichtig, Notfallpläne laufend aktuell zu halten und zu üben: Man muss vor allem auch das Bewsstsein dafür, dass das unbedingt notwendig ist, am Leben halten. Auch wenn ein paar Jahre mal nichts passiert. Und auch, wenn einmal alles gut gegangen ist.
Der nächste Klassiker ist unklare Rollenverteilung in dem Team, das einen Notfall oder eine Krise bewältigen soll. Das gab es auch bei dem schon erwähnten Hochwasser. Die Frage “Wer ist wofür zuständig” muss im Vorfeld unbedingt geklärt werden. Denn nur so können sich die Personen und Teams auch wirklich auf ihre Aufgaben vorbereiten. Und nur so können notwendige Entscheidungen rasch getroffen werden. Was eigentlich vollkommen einleuchtend ist. Woran scheitert das dann aber immer wieder? Da gibt es verschiedene Gründe. Zum Beispiel wäre da die Führungskraft, die dem Team einer anderen Führungskraft Aufträge erteilt. Das können durchaus sinnvolle Aufträge sein. Aber in dem Moment, in dem die Führungskette durchbrochen wird, kann die übergangene Führungskraft ihre ureigenste Aufgabe, nämlich das eigene Team zu führen, nicht mehr wahrnehmen. Es braucht also eine ordentliche Portion Selbstkontrolle: Wenn ich eine “hochrangige” Person bin und davon überzeugt bin, dass eine bestimmte Handlung wichtig und richtig ist, dann darf ich das nicht einfach dem nächsten vorbeilaufenden Mitarbeiter sagen, dann muss ich das bei aller persönlicher Wichtigkeit und Eitelkeit dort deponieren, wo die konkrete Führung passieren soll. OK, natürlich gibt es da eine Ausnahme: Das wäre akute Lebensgefahr. Also: Wenn der Mitarbeiter eines anderen Teams an einer Stelle steht, wo in Kürze ein herabstürzender Ziegelstein einschlägt, dann darf ich natürlich sofort schreien: “Spring!” Aber in allen anderen Fällen zerstört jeder Ego-Trip die für das Notfall- und Krisenmanagement notwendigen Strukturen.
Ein anderer möglicher Grund für unklare Rollenverteilung ist natürlich auch schlicht und ergreifend mangelhafte Vorbereitung. Wenn mein Krisenhandbuch einfach 5 – 7 Leute definiert, die einen Krisenstab zu bilden haben ohne konkrete Aufgaben und Verantwortlichkeiten festzulegen und ohne dass das jemals geübt wird – dann gleicht dieser Krisenstab womöglich eher einer basisdemokratischen Gruppentherapie als einer effizienten Führungsstruktur. Deshalb bin ich übrigens auch ein absoluter Gegner davon, dass Notfall- und Krisenmanagementpläne auf Echtnamen aufbauen. Also es soll nicht drinnen stehen: “Für die Aufgabe XY ist Frau Meier zuständig.” Denn was passiert, wenn Frau Meier auf Urlaub ist? Viel besser ist es, alles rollenbasiert zu definieren, also z.B.: “Für die Aufgabe XY ist die Leiterin der Personalabteilung zuständig.” Und dann kann ich noch gerne in Klammer hinzufügen “derzeit Frau Meier”. Aber dann ist klar, WARUM es Frau Meier ist. Und wenn Frau Meier nicht da ist, dann wird es wesentlich leichter abzuleiten, wer die Aufgabe XY nun statt ihr wahrnehmen sollte. Aber, und jetzt kommt’s: Das funktioniert natürlich nur, wenn es auch für den Alltag klare Rollendefinitionen gibt – Stichwort “Stellenbeschreibungen”. Und, nein, das ist leider auch im Jahr 2024 noch nicht selbstverständlich. Oft gibt es gar keine schriftlichen Rollenbeschreibungen. Und noch öfter gleichen diese Beschreibungen eher einer Masterclass in “Bullshit-Bingo” als einer wirklich gut nutzbaren Erklärung. Das führt natürlich dazu, dass es letztendlich zu immer stärkeren informellen Strukturen kommt. Aber genau diese informellen Strukturen werden unter dem hohen Stress nach einem existenzgefährdenden disruptiven Ereignis schnell in Frage gestellt bzw. zerbröseln sie einfach, weil dann auf einmal niemand wirklich verantwortlich sein will. Und dann werden Aufgaben entweder gar nicht wahrgenommen oder von mehreren Leuten gleichzeitig. Und natürlich ist beides absolut sinnlos.
Und dann fällt mir noch eine Variante ein, wie es zu unklaren Rollenverteilungen kommen kann. Das ist jetzt zugegebener Maßen nicht die häufigste Sache, aber es passiert. Und zwar gibt es Fälle, in denen ein zu bildender Krisenstab von verschiedenen Abteilungen “beschickt” werden soll. Wo eben nicht klare Rollen mit Stellen verknüpft sind, sondern z.B. die Personalabteilung einen “kundigen” Mitarbeiter in den Krisenstab entsenden soll. Und da gibt es dann mitunter Abteilungschefs, die sich denken: Da schicke ich doch einfach einen weisungsgebundenen Mitarbeiter hin. Und dieser Mitarbeiter bzw. diese Mitarbeiterin sitzt dann zwar physisch im Krisenstab, traut sich aber unter Umständen nichts zu entscheiden oder zu empfehlen ohne Rücksprache zu halten. Oder, noch schlimmer: Der Krisenstab empfiehlt eine Maßnahme, der Krisenmanager entscheidet und der Abteilungsleiter sagt: “Nö, geht aber nicht – mein Mitarbeiter hätte das so nicht empfehlen dürfen.” Damit sprengt man natürlich jegliche Struktur. Und letztendlich wird dadurch jegliche vorher überlegte Rollenverteilung sinnlos.
Meine Nummer 3 der häufigsten Fehler im Notfall- und Krisenmanagement sind – “no na net” – mangelnde Kommunikation und Informationsflüsse. Ich meine, das ist natürlich DER Klassiker schlechthin. Und ich bin mir sicher, jeder hat beim Lesen des Titels dieser Podcast-Episode insgeheim sofort auch an Kommunikation gedacht. Aber warum ist das so? Noch dazu, wo einem die Wichtigkeit von guter Krisenkommunikation auf wirklich jeder Plattform gepredigt wird. Nur: Unter Krisenkommunikation verstehen viele die Kommunikation mit Medien, mit der Öffentlichkeit, mit den Stakeholdern, von denen man wirtschaftlich, rechtlich oder vielleicht politisch abhängig ist. Da wird einem von manchen Beratern sogar das Gefühl vermittelt: Wenn man nur diese Kommunikation gut im Griff hat, dann ist die Krise eigentlich schon bewältigt. Naja, guter Sales-Pitch aber weit von der Realität entfernt. Und: Bei all dieser Fokussierung auf die Kommunikation mit wichtigen externen Stellen – und ja, die ist auch wirklich wichtig – wird wirklich häufig auf die Kommunikation mit den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vergessen. Und auch auf die Kommunikation innerhalb der Teams. Ein Beispiel: Ich habe vor einigen Jahren eine Organisation dabei unterstützt, einen Cyberangriff zu bewältigen. Im Zuge dessen wurde eine Presseaussendung vorbereitet. Ich habe dann die zuständige Person gefragt, über welchen Kanal wir die in der Presseaussendung enthaltenen Informationen kurz vorher den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt zukommen lassen können. Der Gefragte hat mich etwas verwundert angeschaut und gemeint: “Na, die erfahren das ja dann eh über die Presse!”. Ja, kann man machen, muss man aber nicht. Und sollte man eigentlich nicht. Wenn ich in einer schwierigen, womöglich existenzgefährdenden Situation wichtige Informationen nicht von meiner Führungsstruktur sondern nur über externe Medien erfahre: Wie groß wird dann mein Vertrauen in meine Führungskräfte sein? Also, spätestens dann wird wohl jeder im Team das Gefühl bekommen, dass da irgendetwas nicht wirklich rund läuft.
Aber auch auf die Kommunikation innerhalb der Teams wird oft vergessen. Ein Notfall oder eine Krise ist oft für alle Beteiligten eine große Herausforderung, auch und gerade emotional. Und diese Emotionalität hat auch große Auswirkungen auf unser Kommunikationsverhalten. Darauf kann man sich vorbereiten, tut es aber oft nicht. Ich habe schon Stäbe von Einsatzorganisationen erlebt, die sich monatelang auf ein Ereignis vorbereitet haben und dann zum Zeitpunkt X trotzdem einige Zeit gebraucht haben um ihre Kommunikation auch unter Stress wieder auf das gewohnte Niveau zu heben. Was steckt da dahinter? Nun, ganz kurz gefasst: Unter hohem Stress höre ich weniger darauf, WAS jemand sagt, sondern mehr darauf WIE etwas gesagt wird. Und je höher mein Stresslevel steigt, desto schwieriger wird es für mich, offene Fragen zu beantworten (wie z.B. “Was ist los?”) – da ist es dann viel effektiver und effizienter, geschlossene Fragen zu stellen (also z.B. “Brennt es?”). Und auch darauf kann man sich vorbereiten: Z.B. durch spezielle Kommunikationstrainings, die nicht nur “Schönwetterkommunikation” abdecken und vor allem durch regelmäßige Simulationsübungen im Team.
Und damit sind wir schon beim nächsten Fehler, der es in meine “Top 5 Liste” geschafft hat: Nämlich das Nicht-Berücksichtigen des “Human Factors”. Man weiß heute – wissenschaftlich belegt -, dass psychologische Sicherheit wichtig ist um gut auf Notfälle und Krisen vorbereitet zu sein. Trotzdem herrscht nach wie vor in vielen Unternehmen und Organisationen die klassische “Blame-Culture”: Es ist etwas passiert – wir arbeiten das umgehend auf indem wir ausschließlich den Schuldigen feststellen und bestrafen. Dass man damit letztendlich die Fehlerhäufigkeit und die Auswirkungen der Fehler nachhaltig steigert, das hat sich bei vielen Führungskräften auch 2024 noch nicht herum gesprochen. Wenn ich Notfall- und Krisenpläne erstelle, dann sollte ich unbedingt auch eine solide Ahnung davon haben, wie Menschen wirklich ticken und was sie unter Stress leisten können – und welche Fehler unter welchen Umständen leichter passieren können. Mit diesem Wissen kann ich dann viel bessere Pläne erstellen als wenn ich davon ausgehe, dass Mitarbeiter maschinenartig immer ihre Pflicht erfüllen. Gerade die Grundsätze des Crew Ressource Managements können dabei enorm helfen. Aber dazu muss ich mich halt auch sehr auf die menschliche Seite meiner Teams einlassen. Nur, wenn ich das tue, dann kann ich die Performance gerade unter Stress (aber auch für den Alltag) deutlich steigern. Mitarbeiter sind nun einmal Menschen, die unter Belastung zu enormen Leistungen fähig sein können, gleichzeitig aber auch unter Stress eine besonders hohe Fehleranfälligkeit aufweisen können. Beides kann und muss ich in meine Vorbereitungen einbeziehen und daran arbeiten.
In meiner Liste der 5 häufigsten Fehler ist jetzt noch ein Platz frei. Und der geht an fehlende Nachbereitungen und fehlende Lernkultur. Winston Churchill wird das Zitat “Never waste a good crisis” zugeschrieben. “Verschwende keine gute Krise!” Natürlich sind Notfälle oder Krisen nicht gut. Wir sollten alles daran setzen, diese zu vermeiden. Aber wenn sie einmal eingetreten sind, dann können wir auf jeden Fall daraus lernen. Wenn wir die Situation gut beherrscht haben, dann sollten wir uns unbedingt genau ansehen, warum es so gut gelaufen ist. Und wenn wir gescheitert sind, dann müssen wir herausarbeiten, was wir das nächste Mal besser machen sollten. Das alles sollte eigentlich vollkommen selbstverständlich sein. Ist es aber leider nicht. Im Gegenteil. Nach meiner Erfahrung ist eine derartige Vorgehensweise eher eine Ausnahme als die Regel. Die Regel ist eher: “Wir haben es überstanden, jetzt schnell wieder zurück zum Alltag.” Und das ist im Grunde zutiefst menschlich. Wenn uns ein disruptives Ereignis aus der Bahn wirft, dann wollen wir wieder zurück zu unserer “Normalität”. Das ist auch nicht verwerflich. Aber um auf den nächsten Notfall, auf die nächste Krise gut vorbereitet zu sein müssen wir uns unbedingt genauer anschauen, wie es gelaufen ist. Weder ein über-entspanntes “Back to normal” noch ein übertriebenes “Sich-selbst-auf-die-Schulter-klopfen” bringt uns weiter. Nur die sachliche, fundierte Auseinandersetzung mit dem, was wirklich abgelaufen ist und was wir daraus lernen können führt zum nachhaltigen Erfolg.
Letztendlich sind wahrscheinlich Reflexionsfähigkeit und Lernbereitschaft zwei der wichtigsten Eigenschaften von Notfall- und Krisenmanagern. Oder, anders formuliert: Wer nicht reflexionsfähig und bereit zu lernen ist, der wird früher oder später scheitern.
Soweit für heute zum Thema „Die fünf häufigsten Fehler im Krisenmanagement”. Wie sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie mir ein E-Mail an podcast@krisenmeisterei.at oder hinterlassen Sie mir eine Sprachnachricht auf memo.fm/krisenmeisterei. Ich freue mich auf Ihre Anregungen.
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Und falls Sie es noch nicht getan haben: Vergessen Sie nicht, den Podcast gleich zu abonnieren – dann versäumen Sie auch in Zukunft keine Folge.
Vergessen Sie nie: Der beste Zeitpunkt, sich auf Notfälle oder Krisen vorzubereiten, ist immer heute. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist!
Das war’s für heute! Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at – vielen Dank für’s Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge!