Episode 101: Krisenmanagement für Anfänger – Transkript

Hallo, ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Ich helfe Führungskräften Krisen souverän und kompetent zu meistern, damit diese nicht zu ihrer persönlichen Tragödie werden.
 
Heute geht es um “Krisenmanagement für Anfänger”. Es ist ja jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass ich meine letzte Podcast-Folge – es war die 100. – online gestellt habe. Eigentlich wollte ich gar nicht eine so lange Pause einlegen. Aber dann kamen viele spannende Projekte daher, und – bevor ich’s mich versehen hatte – war ein ganzes Jahr rum. So ähnlich geht es tatsächlich auch oft Notfall- und Krisenmanagern, die sich im Alltag um viele andere Dinge kümmern müssen. Die Vorbereitung auf den “Tag X” wird immer wieder verschoben, weil gerade jetzt und “top aktuell” irgendein Projekt absoluten Vorrang hat. Und schwupps – schon sind wieder viele Monate rum ohne dass man irgendwie weitergekommen ist. Und besonders schmerzhaft ist es, wenn man das erst DANN merkt, wenn ein Notfall oder eine Krise eintritt. Denn wenn es einmal losgeht, dann ist es definitiv ZU spät für irgendwelche Vorbereitungen. Dann heißt es “schwimmen oder untergehen”.
 
Wobei man eigentlich davon ausgehen könnte, dass nach Jahren der mehrfachen und oft gleichzeitigen Krisen schon jedes Unternehmen, jede Organisation und jede Behörde topfit in Sachen Krisenmanagement ist. Dass eigentlich ein Podcast wie dieser schon unnötig wird, weil alle relevanten Führungskräfte mittlerweile wirklich die absoluten Profis auf diesem Gebiet sind.
 
Leider stimmt das nicht so ganz. Tatsächlich haben die vergangenen Jahre vielfach zu einer Art “Krisenmüdigkeit” geführt. Man will sich gar nicht mehr mit diesen Dingen auseinandersetzen – es ist einem oft einfach schon zu viel. Auf der anderen Seite gibt es auch gar nicht so wenige Führungskräfte die meinen: Wir haben das alles bisher überlebt – das zeigt, dass wir perfekt aufgestellt sind und mit jeder Krise fertig werden.
 
Nun ja, ich wünsche das jedem – möge es auch wirklich so sein. Die Erfahrung zeigt nur: Nein, leider nicht. Wenn man aufhört, sich auf Notfälle und Krisen vorzubereiten weil man meint, ohnehin in einem permanenten Krisenmodus zu sein, dann verliert man Resilienz, dann verliert man die eigene Reaktionsfähigkeit.
 
Und das ist der Grund, warum selbst erfahrene Krisenmanagerinnen und Krisenmanager sich immer wieder auch mit den absoluten Basics auseinandersetzen müssen: Es gibt einfach die Gefahr, dass man sich mit immer mehr Details und Feinheiten auseinandersetzt und dabei auf die absoluten Grundlagen vergisst – die scheinen ohnehin schon selbstverständlich. Aber: Wenn etwas im Krisenmanagement schief läuft, dann häufig bei eben genau diesen Grundlagen. Das sind dann meistens nicht die “highly sophisticated special features”, die dann nicht noch zusätzlich abgeliefert werden können, das sind leider häufig absolute Basics, bei denen es hapert: Das sind fehlende oder unklare Führungsstrukturen, mangelnde oder schlechte Kommunikation und unzureichendes Lagebewusstsein.
 
Und darum empfehle ich allen Profis da draußen, regelmäßig eben auch genau diese absoluten Grundlagen auf den Prüfstand zu bringen. Auch wenn man das vor Jahren schon alles definiert, trainiert und geübt hat und sich mittlerweile vornehmlich auf die Ausarbeitung spezieller Szenarien fokussiert: Diese Basics gehören auch regelmäßig wiederholt. Denn letztendlich macht vor allem deren Beherrschung echte Krisenmanagementfähigkeit aus: Es geht nicht nur darum, irgendeinen vorgefertigten Plan Punkt für Punkt abzuarbeiten. Bitte nicht falsch verstehen: Es ist großartig, wenn man einen Plan hat der auf die aktuelle Situation passt und nach dem man dann vorgehen kann. Nur verstehe ich speziell unter Krise eine Situation nach einem disruptiven Ereignis, für das es keinen genau passenden Plan gibt. Sei es, dass man sich auf das konkrete Szenario nie vorbereitet hat oder sei es, dass Art und Umfang des Geschehens doch stark von den Erwartungen abweichen. Dann ist es wichtig, dass man nicht nur wie im Notfallmanagement nach Plan F vorgehen kann, sondern dass man in der Lage ist, ad hoc Vorgehensweisen zu entwickeln und umzusetzen.
 
Was sind nun die top 3 Krisenmanagement-Aktivitäten, wenn ein disruptives Ereignis bereits eingetreten ist?
 
Das sind für mich: Aktivierung der dafür vorgesehenen Führungsstruktur, effektive und zeitnahe Kommunikation sowie eine schnelle Schadensbewertung. Nur so kann auch die Schadensbegrenzung rasch erfolgen. Und genau diese drei wichtigen Dinge gehören gut vorbereitet und immer wieder geübt, unabhängig von konkreten Szenarien an denen man arbeitet.
 
Werfen wir nun einen näheren Blick auf diese drei Punkte:
 
Aktivierung der vorgesehenen Führungsstruktur: Wie ich schon in früheren Folgen meines Podcasts beschrieben habe zeichnen sich Notfälle und vor allem Krisen dadurch aus, dass man sie nicht im “normalen Alltagsgeschäft” abarbeiten kann. Man braucht dafür eine eigene Bewältigungsstruktur, durch die besonders schnelle und ungewohnte Reaktionen möglich werden. Gerade größere Unternehmen, Organisationen oder Behörden sehen dafür einen Krisenstab vor, also ein ganzes Team mit verschiedenen Spezialisten und extra geschulten Personen. Es braucht aber nicht immer eine große Gruppe, es kann auch einmal ein EINZELNER Notfall- oder Krisenmanager sein – z.B. wenn eine Firma gerade einmal 10 Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter hat – dann geht sich ein riesiger Krisenstab schon allein mathematisch einfach nicht aus. Die genaue Ausgestaltung – also Einzelperson, kleines Team oder großes Team – ist Sache der konkreten Umsetzung. Aber extrem wichtig – und das vollkommen unabhängig von der Größe – ist die sofortige Aktivierung der zuständigen Person bzw. Personen. Jede Verzögerung macht die Sache für gewöhnlich schlimmer. Und: Es muss für alle an der Krisenbewältigung beteiligten Menschen vollkommen klar sein, wer die Verantwortung und die Führung inne hat. Leider trifft das in der Realität nicht immer zu. Und das kostet extrem wertvolle Zeit. Daher für alle Anfänger: Klare Definitionen treffen und klare Alarmierungsprozesse definieren. Und für die Profis: Diese immer wieder überprüfen. Und unbedingt auch einmal unangekündigt üben! Bei der minutiös vorgeplanten und vorangekündigten jährlichen Übung wird der Krisenstab ganz sicher innerhalb von Minuten – wenn nicht sogar schneller – einsatzbereit sein. Aber wie schaut das z.B. in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 3 Uhr Früh aus? Ohne irgendeine Vorankündigung. Das wird oft NICHT geübt. Weil man einfach Angst davor hat, dass die wichtigen Leute, die man da aufwecken müsste, dann “not amused” sind, um es gelinde auszudrücken. Dabei sollten gerade diese Personen ein essentielles Interesse daran haben, auch selbst beübt zu werden. Um damit einerseits die eigene Vorbereitung zu optimieren und gleichzeitig andererseits ganz klar zu zeigen, welchen Stellenwert diese Vorbereitungen und diese Übungen haben. Also, liebe CEOs da draußen, oder generell alle “C-Funktionen”: Lasst Euch beüben! Lasst Euch einmal unvorbereitet aus dem Schlaf reißen und mit einem Krisenszenario konfrontieren. Ja, ich weiß, das bedeutet zusätzlichen Stress. Aber es macht Euch und Euer Team auch mit Sicherheit noch fitter für Notfälle und Krisen.
 
Der nächste Punkt ist effektive und zeitnahe Kommunikation. Es ist unendlich wichtig, dass alle relevanten Stakeholder – also Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Behörden, usw. – so rasch und so transparent wie möglich informiert werden. Selbstverständlich müssen gesetzliche Vorgaben dabei immer eingehalten werden. Aber: Was ich in der Praxis oft sehe ist ein Hinauszögern von Kommunikation und ein Zurückhalten von Informationen, die dann oft über andere Wege beschafft werden. Das macht Notfälle und Krisen oft noch viel schlimmer. Bzw.: So werden sehr oft eigentlich beherrschbare Notfälle zu ausgewachsenen Krisen. Weil natürlich alle Stakeholder großes Interesse an den konkreten Vorgängen haben. Und früher oder später (also: meist wesentlich früher, als einem lieb ist) ohnehin mitbekommen, dass etwas geschehen ist. Und es ist mehr als naiv zu glauben, dass dann irgendwer geduldig sitzen bleibt und auf die offizielle Sprachregelung wartet. Nein, es entstehen sofort Gerüchte bis hin zu Panik und Angst. Und dann werden zu spät nachgereichte Informationen oft gar nicht mehr geglaubt, das Vertrauen ist dann schnell weg. Ganz abgesehen davon, dass die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne zeitnahe und korrekte, transparente Informationen ihr eigenes Handeln nie entsprechend koordinieren können.
 
Es ist daher immens wichtig, bereits in der Vorbereitungsphase zu allen relevanten Stakeholdern mehrere Kommunikationskanäle vorzubereiten. Die müssen laufend gewartet und auch getestet werden. Das geht von Telefonverzeichnissen über E-Mail-Listen bis hin zu dedizierten Leitungen. Da braucht es technische UND organisatorische Vorkehrungen. Und für die Profis: Die müssen dann aber auch immer wieder überprüft werden. Ich kenne viele Telefonverzeichnisse für Notfälle, die irgendwann einmal erstellt worden sind. Und wenn man dann ins Detail geht, dann stellt sich oft heraus, dass es die eine oder andere Stelle bzw. Person gar nicht mehr gibt. Oder sich Kontaktdaten geändert haben. Blöd nur, wenn man das genau dann merkt, wenn man darauf angewiesen ist. Also: Jegliches Kontaktverzeichnis, jegliches Kommunikationsmedium gehört regelmäßig überprüft und ausprobiert. Zumindest einmal im Jahr, besser einmal pro Quartal. Dafür braucht es einen definierten Prozess mit klaren Verantwortlichkeiten und eine Dokumentation, die auch nachgeprüft wird. Ansonsten riskiert man ein wahres Informations- und Kommunikationsdesaster im Ernstfall.
 
Ein wesentlicher Nutzen dieser (hoffentlich) gut vorbereiteten Kommunikation ist, dass man möglichst schnell zu einer Schadensbewertung kommen kann. Die ist ja letztendlich die Voraussetzung für die Entwicklung von Bewältigungsstrategien und deren Umsetzung. Und hier ist es von ganz entscheidender Bedeutung, sich nicht NUR auf vorhandene Szenarien-Checklisten zu verlassen. Vielmehr müssen alle für das Notfall- und Krisenmanagement verantwortlichen Führungskräfte die Technik der generellen Lagebewertung und -beurteilung beherrschen. In einigen meiner früheren Podcastfolgen bin ich da noch tiefer ins Detail gegangen. Es geht dabei darum, eine x-beliebige Situation nach bestimmten Kriterien zu analysieren und daraus Schlüsse für mögliche Bewältigungspläne zu ziehen. Diese Fähigkeit ist besonders dann absolut essentiell, wenn eine Situation eintritt, die so nicht vorhergesehen war. Und DAmit auch die vorbereiteten Checklisten und Pläne nicht SO passen, wie man das gerne hätte. Dann steht und fällt alles mit der Fähigkeit der verantwortlichen Führungskräfte, ad hoc eine Lageanalyse durchführen zu können. Für die Anfänger: Da geht es um die Beurteilung der Gefahren- und Schadenslage, der eigenen Lage sowie der generellen oder Umfeld-Lage. Das kann und muss man erlernen, üben und ein wenig trainieren. Für die Profis: Das muss man auch immer wieder mal aktiv tun. Gerade wenn man sich vor allem auf konkrete Szenarien vorbereitet hat ist die Gefahr groß, dass man diese allgemeinen Techniken nicht mehr im Fokus hat und dann – im Fall der Fälle – panisch herumblättert um vielleicht doch etwas noch Passenderes zu finden anstatt rasch und angemessen reagieren zu können.
 
Natürlich gibt es noch weitere wichtige Elemente des Krisenmanagements. Zum Beispiel haben wir uns in dieser Folge noch gar nicht mit der Phase der Vorbereitung auseinandergesetzt. Da gibt es ebenfalls sehr wichtige Punkte wie Risikoanalyse und Risikobewertung, die Ausarbeitung von Notfall- und Krisenplänen oder das regelmäßige Trainieren und Üben. Allen jenen, die sich da weiter informieren möchten, kann ich natürlich nur mein Sechs-Punkte-Programm für Krisenkompetenz empfehlen: Konzeptionieren – Ressourcieren – Implementieren – Simulieren – Evaluieren UND Netzwerken. Mehr dazu in meinen früheren Podcast-Folgen sowie in meinem eBook. Und natürlich in den zukünftigen Folgen dieses Podcasts. Ab heute wieder regelmäßig alle zwei Wochen.
 
Soweit für heute zum Thema „Krisenmanagement für Anfänger“. Wie sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie mir ein E-Mail an podcast@krisenmeisterei.at oder hinterlassen Sie mir eine Sprachnachricht auf memo.fm/krisenmeisterei. Ich freue mich auf Ihre Anregungen.
 
Besuchen Sie auch meine Website www.krisenmeisterei.at für Shownotes, Kontaktmöglichkeiten und weitere wertvolle Infos zum Thema Krisenmanagement. Abonnieren Sie meinen Newsletter, laden Sie mein eBook herunter oder melden Sie sich für meine Online-Schulungen an.
 
Und falls Sie es noch nicht getan haben: Vergessen Sie nicht, den Podcast gleich zu abonnieren – dann versäumen Sie auch in Zukunft keine Folge.
 
Vergessen Sie nie: Der beste Zeitpunkt, sich auf Notfälle oder Krisen vorzubereiten, ist immer heute. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist!
 
Das war’s für heute! Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at – vielen Dank für’s Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge!

 


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