Episode 113: „Einmal Sprachsalat mit alles!“ – Transkript

Hallo und herzlich willkommen zur 113. Folge meines Podcasts “Krisenmeisterei”. Ich bin Thomas Prinz. Und in diesem Podcast zeige ich Ihnen, wie Sie als Führungskraft auch in den schwierigsten Momenten einen kühlen Kopf bewahren, souverän entscheiden und Ihr Team sicher durch jede Krise führen.
 
Heute geht es um die Herausforderungen, die mehrsprachige Teams im Notfall- und Krisenmanagement mit sich bringen.  Und – Spoiler-Alarm – da geht es nicht nur um die Sprache an sich. Aber alles von Anfang an…
 
Stellen Sie sich vor, in einem Unternehmen passiert ein Notfall. Jetzt sollte rasch und vor allem richtig reagiert werden. Und eigentlich wissen auch alle, was zu tun wäre. Es gibt nur ein Problem: Im Team werden verschiedene Sprachen gesprochen wobei es KEINE Sprache gibt, die alle verstehen oder sprechen können. Das heißt: Ohne Übersetzungen geht es nicht.
 
Das ist natürlich nicht optimal. Und gerade für die operative Bewältigung von Notfällen oder Krisen wünscht man sich so eine Situation definitiv nicht. Allerdings gibt es solche Konstellationen immer wieder – in den letzten Jahren sind sie mir einige Male begegnet. Das kommt z.B. dort vor, wo internationale Unternehmen oder Organisationen mit ExPats arbeiten bzw. arbeiten müssen. Warum auch immer, das kann unterschiedliche Gründe haben. Aber das Ergebnis ist dann häufig: Der Großteil der Mitarbeitenden vor Ort spricht die übliche Landessprache. Die internationalen Mitarbeiter, also die ExPats, sprechen im besten Fall alle zumindest auch Englisch – was die lokalen Mitarbeiter u.U. nicht oder nur teilweise beherrschen. Hinzukommt, dass mit internationalen Mitarbeitern für gewöhnlich dann gearbeitet wird, wenn gewisse Qualifikationen lokal nicht oder nur sehr schwer zu bekommen sind. Damit ergibt sich auch oft ein hierarchischer Unterschied zwischen den ExPats und den Locals. Das alles macht die Kommunikation nicht unbedingt leichter. Eine ähnliche Situation hat man mitunter übrigens auch, wenn man im Zuge eines Notfalls oder einer Krise internationale Spezialisten hinzuzieht.
 
Jetzt aber zurück zu unserem Notfall bzw. unserer Krise. Das Ereignis ist eingetreten, jetzt müssen zunächst einmal alle, die darauf reagieren sollen, informiert werden. Wenn es ein entsprechendes IT-System zur Unterstützung gibt, dann kann dieser Alarm natürlich gleich für alle Mitarbeiter in der richtigen Sprache ausgegeben werden. Womit wir wieder bei dem wichtigen Thema der Vorbereitung wären: Wenn ich mit mehrsprachigen Teams arbeite, dann muss auch meine Vorbereitung mehrsprachig sein. Das heißt: Krisenhandbuch, Checklisten, Ablaufpläne: Alles sollte in allen relevanten Sprachen da sein. Was natürlich auch wieder gewisse Herausforderungen mit sich bringt: Wenn ich aufgrund der Sprache mehrere Versionen habe, dann müssen die dennoch inhaltlich immer gleich sein. Was bedeutet, dass man in die Übersetzung etwas mehr Aufwand stecken sollte als einfach irgend jemanden, der beide Sprachen halbwegs leidlich spricht, damit zu beauftragen: Solche Übersetzungen werden nur dann gut, wenn erstens der Kontext für die übersetzende Person vollkommen klar ist (die Person also zumindest grundlegende Kenntnisse vom Notfall- und Krisenmanagement hat) und zweitens damit Worte bzw. Phrasen gewählt werden, die in den jeweiligen Sprachen die selbe Bedeutung haben und vor allem dieselbe Wirkung erzielen. Das ist manchmal herausfordernder als man denkt, da ja Sprache ein wichtiger Teil bzw. Ausdruck unserer Kultur ist. D.h. es geht beim Übersetzen von Notfall- und Krisenplänen nicht primär um die wörtliche als vielmehr um die inhaltliche Übertragung. Dennoch darf nicht komplett “Wahlfreiheit” bei den einzelnen Wörter gelten. Die Lösung dafür: Gewisse Schlüsselbegriffe müssen generell definiert und übersetzt werden. Und dann muss auch wirklich durchgängig immer diese Übersetzung verwendet werden. Für diejenigen, die mit Normen arbeiten, ist das ja nichts Neues: Da gibt es immer eine Art Glossar. Und das muss dann in alle verwendeten Sprachen übersetzt werden.
 
Wenn man das so macht, kann die Mehrsprachigkeit sogar einen Vorteil mit sich bringen. Denn die meisten Unternehmen oder Organisationen haben so ein Glossar nicht. Und tatsächlich wäre das sogar dann wichtig und vorteilhaft, wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eigentlich dieselbe Sprache sprechen. Es hilft nämlich massiv dabei, neue Mitarbeiter entsprechend einzuschulen und ein klares Bild des Notfall- und Krisenmanagements zu vermitteln. Wenn wir alle prinzipiell dieselbe Sprache sprechen, dann glaubt man oft, dass ja eh alle das selbe unter dem selben Wort verstehen. Ist aber nicht so. Alleine das Wort Notfall: Was genau ist ein Notfall? Umgangssprachlich kein Problem. Aber im betrieblichen Kontext: Ab wann sprechen wir von einem Notfall? Man sollte nicht glauben wie oft das den Menschen in einem Betrieb oder einer Organisation überhaupt nicht klar ist. Da gibt es u.U. ganz klare Vorgaben, wer in einem Notfall zu verständigen ist und was in einem Notfall zu tun ist. Und dann passiert etwas – und niemand reagiert. Warum? Weil sich die operativ tätigen Personen nicht sicher waren, ob das jetzt schon ein Notfall war oder nicht. Und aus meiner Erfahrung muss ich sagen: Das sind keine seltenen Erzählungen…
 
Also: Erste Aufgabe bei der Planung für Notfälle oder Krisen ist immer die Schaffung einer gemeinsamen Sprache. D.h. ich muss sicherstellen, dass alle involvierten Personen unter den wichtigsten Begriffen auch wirklich das selbe verstehen. Und das hat in Wirklichkeit nicht mit Mehrsprachigkeit zu tun. In Wirklichkeit ist es in mehrsprachigen Teams sogar leichter, daran zu denken und hier entsprechende Maßnahmen zu setzen. Bei einsprachigen Teams wird das leider oft übersehen.
 
Und tatsächlich sind Unternehmen oder Organisationen mit mehr als 15 Personen die in unterschiedliche Teams je nach ihrer Aufgabe aufgeteilt sind, in Wirklichkeit zumindest teilweise mehrsprachig. Denn jedes Team wird zumindest einige eigene Begrifflichkeiten entwickeln. Z.B. um gewisse Örtlichkeiten zu bezeichnen. Und das kann schnell einmal zu Unklarheiten oder sogar Missverständnissen führen.
 
Aber jetzt zurück zur Mehrsprachigkeit: Wir gehen einmal davon aus, dass es ein gutes Glossar mit eindeutigen Erklärungen und kontext-relevanten Übersetzungen gibt. Damit kann ich meine Planungsdokumente auch entsprechend übertragen. Besondere Aufmerksamkeit sollte ich hier auf meine Checklisten legen. Gute Checklisten sind ja so aufgebaut, dass sie Schritt für Schritt abgearbeitet werden können. Hier ist es wichtig, dass die Struktur des Ablaufs auch bei der Übersetzung genau eingehalten wird. Idealerweise werden da auch noch zusätzliche Orientierungshilfen eingesetzt. Das kann ein entsprechendes Design oder einfach eine Nummerierung der einzelnen Schritte sein. Warum? Wenn zwei Personen an derselben Checkliste arbeiten, aber in unterschiedlichen Sprachen, dann sollen sie trotzdem eindeutig miteinander kommunizieren können, wer gerade an welchem Punkt in der Checkliste arbeitet bzw. was bereits abgearbeitet ist. Wenn nun einer dem anderen zeigt, er hat Punkt 20 fertig, dann ist das für den anderen eine ganz klare Botschaft, auch wenn die jeweils andere Sprache vielleicht sogar komplett andere Schriftzeichen verwendet. Und das ist im Anlassfall extrem hilfreich.
 
Und das hilft auch bei der Schaffung eines gemeinsamen Lagebilds. Ich werde an Übersetzungen durch Dolmetscher nicht herumkommen. Aber: Diese brauchen einerseits Zeit und andererseits braucht es auch entsprechend gut eingeschulte Dolmetscher, also Personen, die das zuvor erwähnte Glossar wirklich beherrschen. Daher muss ich versuchen, meine Kommunikation so einfach und eindeutig wie möglich zu gestalten. Ein weiteres Beispiel dafür: Manche kennen vielleicht von Einsatzkräften oder vom Militär die sogenannten “taktischen Zeichen”. Durch ein entsprechendes Symbol kann man auf einer Lagekarte ganz einfach darstellen, welches Team mit welchen Spezialisierungen an welcher Stelle mit wieviel Ressourcen gerade aktiv ist. So etwas kann man letztendlich für jegliche Art von Betrieb oder Organisation aufbauen. Und damit eine Lagedarstellung entwickeln, die im Besten Fall komplett ohne geschriebene Wort auskommt und trotzdem die Situation eindeutig darstellt. Und alle Personen, die auf dieses System eingeschult sind, verstehen die Karte sofort, unabhängig von den Sprachen, die sie sprechen. Das Ganze hat übrigens noch einen Vorteil: Grafische Darstellungen auf einer Lagekarte – vorausgesetzt, ich bin entsprechend geübt – können viel schneller wahrgenommen und in ein persönliches Lagebild übersetzt werden als Texte und Beschreibungen. Daher empfehle ich prinzipiell die Verwendung von Piktogrammen und Symbolen wann immer es Sinn macht, auch wenn alle die selbe Sprache sprechen. Aber wie gesagt: Das muss dann halt auch regelmäßig geübt werden.
 
OK, jetzt haben wir prinzipiell die wichtigsten Begriffe “synchronisiert” und eine Lagedarstellung entwickelt, die alle verstehen können. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, dass Entscheidungen auch in einem mehrsprachigen Umfeld gut und sicher getroffen werden können. Wobei beim Entscheiden noch ein Punkt immer mit zu berücksichtigen ist: Menschen mit unterschiedlichen Sprachen kommen oft aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Und das bringt mitunter eben auch unterschiedliche Einstellungen zu Risiken oder Gefahren mit sich. Was eigentlich schon ein Thema in der Prävention sein muss. Daher: In mehrsprachigen Arbeitsumgebungen ist aus meiner Sicht der Onboarding-Prozess noch einmal wichtiger als in eher homogenen Umfeldern. Bereits beim Eintritt in die Organisation müssen die Werte und die Unternehmenskultur so vermittelt werden, dass Entscheidungen nachvollziehbar sind und wir ein möglichst durchgängiges Verständnis von Dingen wie Risiko oder Sicherheit haben.
 
Wobei ich an dieser Stelle noch eine wichtige persönliche Erfahrung einbringen muss: Wenn man dieselbe Sprache spricht ist man sich derartiger kultureller Unterschiede oft viel zu wenig bewusst. Sprechen wir verschiedene Sprachen, so werden eventuelle Unterschiede viel schneller und aktiver wahrgenommen als wenn wir die gleiche Sprache sprechen. Das heißt aber nicht, dass diese Unterschiede nicht trotzdem da sind. Nur werden die durch die gemeinsame Sprache oft fast verdeckt. Daher meine dringende Empfehlung: Gerade auch wenn ich mit Teams in meiner Muttersprache arbeite: Immer auch die Brille der Kultursensibilität aufsetzen. Denn auch wenn ich in Deutsch arbeite, muss ich oft Ausdrücke und Begrifflichkeiten “übersetzen” – nur dass es dann halt mehr um Erklärungen geht und darum, den Kontext des jeweiligen Begriffs auch gut zu erklären.
 
Letztendlich werde ich in mehrsprachigen Umgebungen aber trotzdem immer auch Dolmetscher brauchen. Und wie gesagt: Das ist halt auch ein Zeitfaktor. Daher muss ich das für die Notfall- und Krisenbewältigung auch gut vorbereiten. Muss immer alles übersetzt werden? Kann ich Mitarbeiter nach Sprachen gruppieren und jeweils mit einem Dolmetscher betreuen lassen? Hier muss man sich eine den jeweiligen Gegebenheiten angepasste Struktur bzw. Taktik überlegen, da gibt es kein “one fits all”. Was aber auf jeden Fall gilt: Diese Dolmetscher sind absolute Schlüsselpersonen. Daher ist es auch sehr wichtig, dass ihnen absolut vertraut werden kann. Es gibt nichts unangenehmeres als wenn ich als Führungskraft eine Anweisung gebe, diese übersetzt wird und ich mir denke: “Ich glaube nicht, dass jetzt tatsächlich das, was ich gesagt habe, übersetzt worden ist.” Daher ist auch hier wieder die Vorbereitungsarbeit wichtig: Die Führungskräfte müssen die Dolmetscher kennen und ihnen vertrauen. Denn wenn eine Führungskraft auf Dolmetscher angewiesen ist, dann hat dieser Dolmetscher im Team ja auch eine gewisse Machtposition. Wenn hier nicht absolutes gegenseitiges Vertrauen besteht, dann kann das gerade bei Notfällen und Krisen ziemlich eskalieren. Dieses Vertrauen muss ich natürlich bereits im Alltag aufbauen. Dazu braucht es aber auch noch Training und Übungen. Letztendlich helfen auch noch  positive Erfahrungen nach tatsächlichen Ereignissen.
 
Das alles macht aber auch noch eines klar: Wenn ich mit einem mehrsprachigen Team arbeite, dann ist eine klare Struktur noch einmal wichtiger als wenn sich alle zumindest sprachlich verstehen. Ansonsten reden alle durcheinander (was ja auch so schon manchmal vorkommen soll), aber ohne dass man sich gegenseitig verstehen kann. Ohne eine gewisse Disziplin sind Notfälle und Krisen nicht beherrschbar. Und Mehrsprachigkeit fordert uns noch mehr davon ab.
 
Einen letzten Rat habe ich noch für Führungskräfte in einem solchen Umfeld: Wenn sie Mitarbeiter führen müssen, deren Sprache sie nicht sprechen – gerade in Notfällen und Krisensituationen: Achten Sie auf Ihre paraverbale und nonverbale Kommunikation. Die Teile ihres Teams, die Ihre Worte nicht verstehen, werden noch mehr als sonst auf Ihre Körpersprache und ihre Gesten achten. Und noch etwas: Sprechen Sie, auch wenn Sie einen Dolmetscher brauchen, zu Ihrem Team und nicht nur zum Dolmetscher. Achten Sie auf Ihren Augenkontakt. Denn SIE führen das Team, nicht der Dolmetscher. Und das müssen Sie durch Ihre Präsenz und Ihr Auftreten klar machen.
 
Das war’s soweit zum Thema „Mehrsprachige Teams in Notfall und Krise“. Was sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie mir ein E-Mail an podcast@krisenmeisterei.at oder hinterlassen Sie mir eine Sprachnachricht auf memo.fm/krisenmeisterei. Ich freue mich auf Ihre Gedanken!
 
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Denken Sie daran: Der beste Zeitpunkt, sich auf Notfälle oder Krisen vorzubereiten, ist immer heute. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist!
 
Das war’s für heute. Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Vielen Dank fürs Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge!
 

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