Episode 105: Inkompetenz: Die (verborgene?) Gefahr – Transkript

Hallo, ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at. Ich helfe Führungskräften Krisen souverän und kompetent zu meistern, damit diese nicht zu ihrer persönlichen Tragödie werden.
 
Heute geht es um Inkompetenz. Die kann GERADE im Notfall- und Krisenmanagement extrem gefährlich werden. Wir müssen nämlich gemäß des Modells der Kompetenzpyramide zwischen zwei wesentlichen Formen der Inkompetenz unterscheiden: Und zwar zwischen der unbewussten und der bewussten Inkompetenz. Fangen wir bei der zweiten Form an, der bewussten Inkompetenz: So provokant das Wort “Inkompetenz” auch klingen mag, aber in diesem Fall haben wir die eigentlich “positivere” Form: Ich kann etwas nicht, bin mir aber dessen bewusst. Das kann jetzt verschiedene Folgen haben: Im besten Fall arbeite ich daran, meine Inkompetenz zu minimieren. Ich lese über das Thema, absolviere Ausbildungen und Trainings – also zumindest, wenn ich finde, dass ich mir wenigstens eine gewisse Kompetenz aneignen sollte. Oder – und das ist in meinen Augen ebenfalls ein positiver Weg damit umzugehen – ich wende mich bei Fragen zu diesem Thema an eine kompetente Person. Oder delegiere gleich entsprechende Entscheidungen.
 
Also, vorausgesetzt, dass ich nicht nach dem Motto “fake it until you make it” lebe, kann ich im Fall von bewusster Inkompetenz vermeiden, dass diese negative Auswirkungen hat. Und ich kann vor allem etwas tun, um kompetent zu WERDEN.  Dass es auch Menschen gibt, die sich ihrer Inkompetenz bewusst sind und trotzdem Entscheidungen treffen und so tun, als wären Sie die top Experten – das steht (leider) wieder auf einem ganz anderen Blatt.
 
Wesentlich gefährlicher aus meiner Erfahrung ist die sogenannte unbewusste Inkompetenz. In diesem Fall ist die Person ebenfalls bzgl. eines bestimmten Themas inkompetent, weiß es aber nicht. Und dafür kann es im Wesentlichen zwei Gründe geben:
 
Variante 1: Die Person hält sich für kompetent und bekommt immer nur positive Rückmeldungen, z.B. weil die Person in ihrem Unternehmen sehr hochrangig ist. Dann wird es irgendwann eher gefährlich zu sagen: “Äh, nein, das ist falsch.” Da verliert man dann relativ leicht und schnell mal seinen Job. Also gibt es nur mehr positive Rückkoppelungen – bis etwas ganz fatales geschieht. Das ist dann ein bisschen so wie im Märchen “Des Kaisers neue Kleider”. Nur, dass im Bereich des Notfall- und Krisenmanagements unter Umständen Existenzen oder gar Menschenleben daran hängen.
 
Die 2. Variante der unbewussten Inkompetenz ist die, wenn eine Person gar nicht auf die Idee kommt, dass es für ein bestimmtes Thema besondere Kompetenzen bräuchte. Gerade im Notfall- und Krisenmanagement erlebe ich das immer wieder. Das wären konkret Manager die der Meinung sind, dass sie mit den normalen “Schönwetter-Methoden” jegliche Situation bewältigen können. Und damit gar nicht auf die Idee kommen, einmal in dieses Thema “hineinzuschnuppern”. Nun, wenn sich wer anderes kompetent darum kümmern würde, dann wäre das ja nicht so schlimm. Das Problem ist nur, dass solche Personen, wenn sie Führungskräfte sind, es dann auch gar nicht für notwendig halten, dass es überhaupt jemanden kompetenten dafür gibt – denn es wird ja die Kompetenz an sich gar nicht für notwendig erachtet. Damit wird letztendlich auch jegliche Kompetenzentwicklung verunmöglicht. Meistens eben, bis etwas Schlimmes geschieht. Oder in Wirklichkeit noch länger. Denn selbst nach einem nicht beherrschten disruptiven Ereignis wird jemand mit unbewusster Inkompetenz daran festhalten, dass das nicht vermeidbar und nicht beherrschbar war. Bis jemand kommt und beweist, dass dem eben nicht so war. Dass man sich vorbereiten hätte können. Dass man kompetent hätte sein sollen. Und dieser “Jemand” sind dann oft erst die Gerichte. Was letztendlich nichts weniger bedeutet, als dass viele mit ihrer unbewussten Inkompetenz ziemlich lange durchkommen…
 
Aber wie kann man es besser machen? Denn es ist einfach gesagt: “Mach Dich kompetent!” Aber wenn ich gar nicht weiß, dass mir Kompetenz fehlt, wie gehe ich das an?
 
Ich kann da ein Beispiel – natürlich mit geänderten Namen – aus meiner Vergangenheit erzählen:
 
Und zwar geht es da um einen gewissen Richard. Richard war vor etlichen Jahren für das Qualitätsmanagement eines größeren mittelständischen Betriebs zuständig. Und war da auch wirklich kompetent. Sein methodisches Vorgehen gepaart mit großer Empathie haben dazu geführt, dass die Geschäftsleitung festgelegt hat, dass Richard auch für die “Bewältigung von ungeplanten Ereignissen” zuständig sein sollte. Über Notfälle oder Krisen wurde nicht explizit gesprochen – das waren eben alles irgendwie “ungeplante Ereignisse”. Und Richard war überzeugt davon, mit seinem methodischen Werkzeugkasten auch alles bewältigen zu können. Und erste Erfahrungen (es waren in Wirklichkeit weder echte Notfälle noch Krisen) haben ihm auch recht gegeben. Zu dem Zeitpunkt war er definitiv noch im Zustand der unbewussten Inkompetenz was professionelles Krisenmanagement betrifft.
 
Doch eines Tages hat sich das plötzlich geändert. In einem ähnlichen Unternehmen ist es zu einem schweren Zwischenfall gekommen – ein Mitarbeiter wäre dabei fast gestorben. Richard hat den dortigen Qualitätsmanager gekannt und sich daher – so weit wie halt möglich – über den Vorfall informiert. Und dabei hat er festgestellt, dass da sehr viel abgelaufen ist wovon er eigentlich überhaupt keine Ahnung gehabt hat. Er hat zwar seinen “normalen” Managementkreislauf in- und auswendig gekannt. Aber bei “Schadenlage” oder gar “Lagebericht” war es dann schon wieder vorbei. Damit hat er die Schwelle von der “unbewussten” zur “bewussten” Inkompetenz überschritten. Seine erste Reaktion war dann auch, dass er mit Notfall- und Krisenmanagement am liebsten nichts mehr zu tun gehabt hätte. Aber sein Chef hat darauf beharrt – weil er ihm einfach sehr vertraut hat. Aber er hat ihm auch die Möglichkeit gegeben, sich Unterstützung zu holen.
 
Und so bin ich dann ins Spiel gekommen. Und nach einem Coaching und ersten Trainings zum Thema Notfall- und Krisenmanagement hat sich Robert dann doch immer sicherer gefühlt. Da war er dann schon im Bereich der sogenannten “bewussten Kompetenz”. Wir haben dann erste Notfallpläne und Checklisten ausgearbeitet und mit anfänglicher Unterstützung hat er es dann auch geschafft, in seinem Unternehmen mehr und mehr Verständnis für diese wichtigen Vorbereitungen zu schaffen.
 
Besonders spannend war dann ein Vorfall, bei dem es in seinem Betrieb zu einer gefährlichen Situation gekommen ist. Wie er mir nachher erzählt hat, war es für ihn aufgrund der vorherigen Trainings und Übungen so, dass er ziemlich automatisch die notwendigen Sofortmaßnahmen eingeleitet hat und erst später realisiert hat, dass genau jetzt der Moment da war, vor dem er sich früher mal gefürchtet gehabt hat. Letztendlich ist dann alles gut gegangen. Und sein Chef hat ihm nachher gönnerhaft die Hand geschüttelt und gemeint: “Ich hab’s ja immer gewusst!”
 
Richard selbst hat mir später gesagt: Eigentlich war der vorherige Notfall in dem anderen Betrieb sein Glück. Denn ohne den hätte er nie angefangen, ein wirklich kompetenter Notfall- und Krisenmanager zu werden. Und es hat sich auch sonst für ihn gelohnt – sein Chef hat sich bei der nächsten Gehaltsrunde noch an alles erinnern können.
 
Mittlerweile gehört Notfall- und Krisenplanung für Richard und sein Team mit zum Alltag. Und damit ist er auch schon bei der unbewussten Kompetenz angekommen. Er muss nicht mehr quasi “umdenken” vom Qualitätsmanager hin zum Notfall- und Krisenmanager. Alle seine Kompetenzen fließen automatisch in seine Arbeit ein.
 
Ja, ein Nachtrag noch zu dieser Geschichte: Es war einfach Zufall, dass in diesem Fall der Qualitätsmanager auch Notfall- und Krisenmanager geworden ist. Das hat lediglich mit den handelnden Personen zu tun gehabt. Ich will damit also überhaupt keine spezielle Eignung unterstellen oder diese Rollenkombination empfehlen!
 
Also, Richard hat es erfolgreich geschafft, aus dem gefährlichen Bereich der unbewussten Inkompetenz herauszukommen und kompetent zu werden. Ausschlaggebend war bei ihm ein prägendes Ereignis – für ihn nur gut, dass es kein persönliches Erlebnis war.
 
Was kann man aber tun, wenn man für sich selbst vermeiden will, dass man in unbewusster Inkompetenz verharrt und erst durch ein schlimmes Geschehen damit konfrontiert wird und womöglich scheitert?
 
Nun, da gibt es mehrere Möglichkeiten.
 
Zu aller erst empfehle ich allen Führungskräften, sich mit kritischen Geistern zu umgeben. Ich meine damit nicht zwanghafte permanente Andersmeinende sondern Menschen, die nicht alles einfach abnicken. Die sich ihre eigenen Gedanken machen und diese auch mitteilen. Es ist vielleicht oberflächlich schön, wenn immer alle derselben Meinung sind. Aber nicht wirklich realistisch. Da ist es viel wertvoller wenn man in einen Diskurs eintreten kann, auch andere Meinungen hören kann und dann zu einer gemeinsamen Entscheidung kommt. Und in so einem Gesprächsklima ist es auch viel wahrscheinlicher, dass man Inkompetenzen erkennen und beheben kann.
 
Eine andere Methode ist die des “Kompetenz-Inventars”. Man erstellt zunächst einmal eine Liste aller Kompetenzen, die man kennt und über die man verfügt. Diese Liste vergleicht man dann mit den für eine bestimmte Rolle oder Tätigkeit benötigten Kompetenzen. Wichtig ist hier nur, dass man dabei auf Listen von Experten oder aus der Fachliteratur zurückgreift. Sonst würde man natürlich Kompetenzen übersehen, von deren möglichen Existenz man gar nichts weiß. Hilfreich können da z.B. auch diverse Normen sein. Natürlich kann es auch hier passieren, dass man seine eigene Inkompetenz übersieht und sich für kompetent hält wo das objektiv nicht der Fall ist. Aber das reine Übersehen einer ev. wichtigen Kompetenz wird durch diese Methode eher verunmöglicht.
 
Eine sehr empfehlenswerte Methode ist natürlich das Einholen von ehrlichem Feedback bezüglich der eigenen Kompetenzen. Das ist aber natürlich umso schwieriger, je mehr Macht und Einfluss man hat. Wenn der CEO zu einem Mitarbeiter geht und sagt: “He, sag mal, für wie kompetent hälts Du mich?” Naja, wie ehrlich wird das Feedback dann ausfallen. Man braucht dann also schon eher jemanden auf gleichem Level mit dem man sich auch wirklich austauschen kann.
 
Und das kann dann schon eher im Rahmen von Fortbildungen geschehen. Das wäre dann auch gleich die nächste empfehlenswerte Methode. Wenn ich meine Kompetenzen regelmäßig auf den Prüfstand stelle bzw. mir immer wieder neue Inputs hole, dann werden die gefährlichen weißen Flecken mit Sicherheit auch immer kleiner.
 
Ja, und zuletzt gibt es natürlich auch die Möglichkeit von individuellem Coaching, Mentoring oder Beratung. Dabei kann man dann individuell herausarbeiten, wie es um die konkreten Kompetenz-Bedürfnisse aussieht und wo Entwicklungsbedarf besteht. Und gerade wenn man sich in einem Unternehmen in – wie man so schön sagt – gehobener Position befindet ist es manchmal einfacher, entsprechende Empfehlungen vertraulich von einem externen Experten zu bekommen. Und auf jeden Fall angenehmer, als wenn es dann nach einem realen Zwischenfall in einem Bericht steht.
 
Soweit für heute zum Thema „Inkompetenz: Die (verborgene?) Gefahr“. Wie sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie mir ein E-Mail an podcast@krisenmeisterei.at oder hinterlassen Sie mir eine Sprachnachricht auf memo.fm/krisenmeisterei. Ich freue mich auf Ihre Anregungen.
 
Besuchen Sie auch meine Website www.krisenmeisterei.at für Shownotes, Kontaktmöglichkeiten und weitere wertvolle Infos zum Thema Krisenmanagement. Abonnieren Sie meinen Newsletter, laden Sie mein eBook herunter oder melden Sie sich für meine Online-Schulungen an.
 
Und falls Sie es noch nicht getan haben: Vergessen Sie nicht, den Podcast gleich zu abonnieren – dann versäumen Sie auch in Zukunft keine Folge.
 
Vergessen Sie nie: Der beste Zeitpunkt, sich auf Notfälle oder Krisen vorzubereiten, ist immer heute. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist!
Das war’s für heute! Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at – vielen Dank für’s Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge!
 

⇒ Zurück zur Episode

Nach oben scrollen