Hallo,
ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at.
Ich helfe Verantwortlichen, Krisen souverän und kompetent zu meistern damit diese nicht zu Ihrer persönlichen Tragödie werden. Heute geht es um die Frage: „Führen Sie aus oder in die Krise?“
Warum so provokant? Nun, natürlich will jeder Krisenmanager seine Organisation aus der Krise herausführen. Aber wenn ich unter hohem Zeitdruck mit viel zu wenig Informationen entscheiden muss: Woher weiß ich dann, dass die Richtung stimmt. Zum Einen brauche ich natürlich entsprechendes Fachwissen bzw. fachliche Unterstützung – z.b. durch einen Krisenstab – um sicherzugehen, dass eine Entscheidung nach den aktuell vorliegenden Informationen sachlich auch wirklich richtig oder zumindest vertretbar ist. Zum Anderen muss ich bei jeder Entscheidung aber auch darauf achten, dass sie nicht nur für den aktuellen Moment, die aktuelle Lage passt, sondern darüber hinaus das Krisenmanagement in die Lage versetzt – oder sie in der Lage hält – auch weiterhin operabel zu bleiben.
Schauen wir uns einmal ein – zugegebenermaßen sehr drastisches – Beispiel an: Wenn meine Niederlassung. von einem Hochwasser bedroht ist, dann kann ich diese Gefahr vielleicht am besten durch das Befüllen und Platzieren von Sandsäcken abwenden. Jetzt könnte ich z.b. entscheiden: „Okay, das ist der beste Weg in der momentanen Gefährdungslage. Also werden jetzt alle MitarbeiterInnen – vom Portier über die Telefonisten bis hin zu Krisenstab und Krisenmanager – alles liegen und stehen lassen nur mehr Sandsäcke befüllen.“ Da könnte man sagen: „Für diese Lage, für diese Situation ist das doch die perfekte Entscheidung!“ Naja, wenn sich jetzt die Lage weiterentwickelt, zum Beispiel aufgrund des Hochwassers ein Gebäudeteil einzustürzen droht, dann kann niemand mehr effizient und effektiv reagieren. Niemand hebt das Telefon ab, niemand verarbeitet die Informationen, niemand trifft neue Entscheidungen, weil ja alle Sandsäcke befüllen.
Wie kann ich derartige Entscheidungen verhindern? Indem es jetzt neben der sachlich objektiven Bewertung einer konkreten Situation auch ein System von Grundsätzen gibt, die bei jeder Entscheidung mir zu beachten sind. Diese Grundsätze kann man sich wie kritische Erfolgsfaktoren vorstellen: Wenn sich bei einer Entscheidung herausstellt, dass diese Grundsätze nicht berücksichtigt werden, nicht berücksichtigt wurden, dann droht letztendlich die gesamte Operation, das gesamte Krisenmanagements zu scheitern. Konfuzius soll gesagt haben: „Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos miteinander Pläne zu machen.“ Das heißt derartige Führungsgrundsätze, derartige Grundsätze sind auch die Basis für meine gesamten Planungen. Dafür, dass Pläne dann auch wirklich sinnvoll, effizient und effektiv umgesetzt werden können.
Was sind nun konkret solche Grundsätze, die wir für das Krisenmanagement brauchen – man spricht ihn von sogenannten „Führungsgrundsätzen“. Ja, da definiert das Wirtschaftslexikon Gabler, dass Führungsgrundsätze generelle Verhaltensempfehlungen für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Menschen in Unternehmungen sind. Die haben dann Funktionen wie Standardisierungsfunktion, Entlastungsfunktion und Orientierungsfunktion. Das heißt, dass durch diese Grundsätze ein System vorgegeben wird wo man sich dann entlang bestimmter allgemeiner Guidelines für das Unternehmen bewegt. Wo Ziele berücksichtigt werden. Delegation, Information, Kommunikation und Kooperation – das sind nur einige der Themengebiete, die von solchen Grundsätzen zu berücksichtigen wären.
Wie schaut das jetzt konkret für das Krisenmanagement aus? Nun, moderne Unternehmen haben ja üblicherweise auch sehr konkrete, sehr individuelle Führungsgrundsätze für den Alltag. Aber die bieten oft zuwenig Guidance für den Krisenfall. Jetzt könnte man natürlich individuell die Führungsgrundsätze eines Unternehmens für den Krisenfall erweitern. Oder man kann eben auch einfach auf Führungsgrundsätze von Organisationen zurückgreifen, die besonders auf die Krisenbewältigung ausgerichtet sind, also beispielsweise Einsatzorganisationen.
Da bieten sich zwei Beispiele ganz konkret an: Also einmal aus Deutschland die sogenannte FwDV 100 (das ist die Feuerwehrdienstvorschrift 100). Da geht es um Führung und Leitung im Einsatz: Und in Österreich die SKKM Richtlinien (SKKM ist die Abkürzung für „Staatliches Krisen- und Katastrophenmanagement“).
Schauen wir uns zunächst einmal die FwDV 100 der deutschen Feuerwehr an. Die kennt hier sechs Führungsgrundsätze. Der allererste ist einmal: „Aufgaben Befugnisse auf Mittel müssen aufeinander abgestimmt sein.“ Das heißt, es geht um eine sinnvolle Zuteilung von Kräften von Aufgaben und natürlich auch sinnvolle Delegationen. Der zweite Grundsatz wäre: „Aufgabenbereiche müssen überschaubar und klar abgegrenzt sein.“ Es darf also nicht sein, dass zwei Gruppen, zwei Mitarbeiter, wer auch immer, dann drüber streiten müssen, wer jetzt wofür wirklich zuständig ist. Und die Aufgabenbereiche müssen auch wirklich überschaubar sein. Also nicht: „Du bist für alles zuständig!“ Das bringt nicht sehr viel. Nächster Punkt: „Unterstellungsverhältnis und Weisungsrecht müssen klar festgelegt werden.“ Das ist nichts anderes als: Es muss klare Strukturen geben, jeder muss wissen (während einer Krisenbewältigung) wo sie oder er hingehört.
Dann, nächster Punkt: „Die Zusammenarbeit mit anderen nicht unterstellten Kräften und Stellen muss gewährleistet werden.“ Also nicht einfach nur in der eigenen Linie betriebsblind „dahin hack’ln“ (wienerisch gesagt), sondern wirklich auch mit anderen Stellen, die jetzt nicht wirklich unterstellt sind, hier kooperieren. Wie wir schon oft gesagt haben: Das Arbeiten im Netzwerk, das Zusammenarbeiten, ist im Krisenmanagement doch sehr entscheidend! Es geht weiter mit der Pflicht zur Fürsorge und Erhaltung der Leistungsfähigkeit gegenüber Einsatzkräften, die muss beachtet werden: Es macht also weder Sinn, alle eingesetzten Kräfte maßlos zu überfordern, noch diese innerhalb kürzester Zeit komplett zu „verbrauchen“.
Und der letzte Grundsatz nach der DV 100: „Auch bei Anwendung eines kooperativen Führungsstils bleibt die Gesamtverantwortung der Einsatzleiterin oder des Einsatzleiters unberührt.“ Ich kann mich also als verantwortlicher Krisenmanager nie dahinter verstecken, dass mir der Krisenstab irgendetwas empfohlen hat. Letztendlich ist es meine ungeteilte Verantwortung zu sagen: „Ja, wir machen das so oder so.“ Wenn der Krisenstab inkompetent war, dann bin ich als Krisenmanager letztendlich auch dafür verantwortlich, wer in diesem Krisenstab drinnen gesessen ist.
Ja, das österreichische SKKM, das staatliche Krisen. und Katastrophenmanagement, kennt jetzt neun Führungsgrundsätze. Und diese neun Führungsgrundsätze sind aus meiner Erfahrung heraus sehr gut auch als eine Art Checkliste geeignet: Eine Checkliste für das Treffen von Entscheidungen oder Bewerten von Entscheidungen oder Situationen. Letztendlich von der Intention und Auswirkung her ziemlich deckungsgleich mit der deutschen DV 100, aber anders formuliert und mit einer sehr knappen, klar fasslichen Überschrift formuliert.
Mal kurz in der Übersicht: Da geht es um Einheit der Führung, klares Ziel, die Einfachheit, Schwergewichtsbildung, Reservenbildung, Handlungsfreiheit, Beweglichkeit, Ökonomie der Kräfte und Verhältnismäßigkeit. Wenn man so will: Das größte Problem ist, dass es neun Grundsätze sind, also doch eine ziemliche Menge.
Schauen wir uns die im Detail an. Nun, an oberster Stelle steht die sogenannte „Einheit der Führung“. Das ist nichts anderes als dass hier noch mal festgelegt wird: Es gibt diese ungeteilte persönliche Anordnungsbefugnis und Verantwortung eines Einsatzleiters, eines Krisenmanager für alle Teams, für alle Kräfte die an der Krisenbewältigung beteiligt sind. Wenn das nicht gegeben ist, wenn hier verschiedene Kräfte nebeneinander her arbeiten, dann sind Probleme vo programmiert, und dann kann es sehr leicht zu Fehlern oder Fehlleistungen kommen.
Nächster Führungsgrundsatz: Das klare Ziel. Es muss eindeutig festgelegt werden: „Was wollen wir bewirken?“ Das heißt, ich darf jetzt im Krisenmanagement nicht einfach sagen: „Ja, da ein bisschen, dort ein bisschen…“ sondern wirklich: „Was ist das Hauptproblem, was ist das Problem einer Krise, was bewirkt eine Krise, was machen wir jetzt konkret um das zu bewältigen?“
Der nächste Schritt – einer die in der Praxis sehr häufig leider ignoriert wird – ist die Einfachheit. Was versteht man unter einem Führungsgrundsatz der Einfachheit? Nun, dass man Einfaches und auch Bewährtes verwendet. Ich habe das nicht selten erlebt, dass im Krisenmanagement oder auch im Notfallmanagement plötzlich versucht wird, Dinge ganz anders zu machen als man sie im Alltag macht. Das funktioniert häufig nicht, sondern Menschen – man sagt so schön „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“. Das heißt gerade auch in einer Krisensituation tendiert man natürlich dazu, alles so zu machen wie man es sonst auch macht. Zum Beispiel in der Kommunikation: Wenn man sagt: „Im Alltag ist es ‚Wurst‘, wie wir miteinander reden, wie wir miteinander kommunizieren. Aber im Krisenfall, da müssen ganz bestimmte Protokolle eingehalten werden.“ Ja, wenn man sie sehr häufig übt, sehr regelmäßig übt, dann kann das funktionieren. Ansonsten, wenn es gerade mal einmal im Jahr geübt wird, wird halt der Alltag, wird halt die Gewohnheit durchschlagen. In der SKKM Richtlinie wird auch ganz klar festgehalten (als Zitat): „Nur das Einfache hat Aussicht auf Erfolg.“
Der nächste Führungsgrundsätze: die Schwergewichtsbildung. Worum geht es dabei? Es geht darum, dass ich meine verfügbaren Kapazitäten dort konzentriere, wo das größte Problem, die größte Gefährdung, der größte Schaden entsteht. Konzentration heißt jetzt aber nicht, dass ich dort alle meine Kräfte fix binde. Auch bei dieser Schwergewichtsbildung – oder gerade durch diese Schwergewichtsbildung – ist es wichtig, dass ich auch reaktionsfähig bleibe. Mit Schwergewichts Bildung ist eben auch gemeint, dass wenn ich mehrere Problemherde habe, meine Krisenbewältigung nicht einfach meine verfügbar Mittel durch die Anzahl der Krisenherde dividiere, sondern mir wirklich überlege: „Wo macht es am meisten Sinn, gezielt einzugreifen.“
Der nächste Führungsgrundsatz: die Reservenbildung. Ja, bei der Reservenbildung geht es darum, dass ich möglichst Kräfte und Mittel immer wieder auch bereit halte um auf plötzliche Lageänderungen zu reagieren, reagieren zu können. Oder anders gesagt: Wenn ich alle mir zur Verfügung stehende Mittel komplett einsetze, komplett beschäftige, komplett mit Aufgaben binde, und es passiert jetzt irgendwas, es ändert sich etwas, dann habe ich überhaupt keine Möglichkeit mehr irgendwie zu reagieren. Das heißt, dann wäre mir die Handlungsfreiheit komplett genommen. Handlungsfreiheit wäre gleich der nächste Führungsgrundsatz. Und hier sagt das SKKM auch ganz klar: Das ist eigentlich der oberste Grundsatz. Wenn meine Handlungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, wenn ich jetzt nicht mehr agieren oder reagieren kann, dann kann ich eigentlich nur mehr abwarten, als Passagier in der Krise sitzen, die Krise aussitzen und auf mein Glück vertrauen. Aber sehr wahrscheinlich, dass das gut geht, ist es dann eigentlich nicht mehr.
Der nächste Führungsgrundsatz wäre die Beweglichkeit. Und da kann man natürlich jetzt gleich fragen: „Was ist der Unterschied zwischen Handlungsfähigkeit und Beweglichkeit?“ Nun, bei der Handlungsfähigkeit geht es eben darauf, dass ich prinzipiell in der Lage bin auf Lageveränderungen jederzeit aktiv einwirken zu können. Bei der Beweglichkeit geht es jetzt vor allem auch darum, dass ich rasch und angemessen reagieren kann. Also da geht es um Dinge wie Schnelligkeit in der Reaktion, um Dinge wie Ideenreichtum. das manchmal ich auch sehr kreativ, sehr rasch reagieren kann.
Zwei Führungsgrundsätze bleiben uns noch. Das ist zunächst einmal die sogenannte „Ökonomie der Kräfte“. Bei der Ökonomie der Kräfte geht es darum, dass ich meine Kräfte, meine Mittel, mein Personal, meine Ressourcen, meine Sachmittel möglichst effizient und effektiv einsetze. Also z.b. wirklich darauf achte wofür sind Mitarbeiterinnen, wofür sie Mitarbeiter ausgebildet. Sie möglichst gezielt einzusetzen. Der letzte Führungsgrundsatz ist die Verhältnismäßigkeit. Da geht es also konkret darum, dass ein vertretbares Verhältnis zwischen dem Kräfte-Einsatz und dem möglichen Schaden – wenn ich eben nicht auf eine Situation reagiere – das dann ein vertretbares Verhältnis gewahrt bleibt
Das zeigt wiederum die wichtig letztendlich die strategische Einbindung, die strategische Dimension des Krisenmanagements ist. Denn in vielen Fällen kann ich nur strategisch entscheiden, auf der strategischen Ebene entscheiden ob gewisse Einsätze, ob gewisse Ressourcen, Material-, Personaleinsätze wirklich gerechtfertigt sind. Oder ob man in manchen Situationen einfach den entstehenden oder entstandenen Schaden in Kauf nimmt.
Ja, wenn ich alle diese Führungsgrundsätze zusammenfassen müsste, würde ich es auf 3 ganz wesentliche Punkte reduzieren: Erstens braucht es eine klare Struktur im Krisenmanagement. Es braucht ganz klare Ziele. Und ich muss jederzeit meine Aktions und Reaktionsfähigkeit herstellen, aber auch ganz wichtig: erhalten. Und all diese Führungsgrundsätze – von der Feuerwehrdienstvorschrift 100 als auch vom staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagement – zielen genau darauf ab, dass zu gewährleisten.
Bleibt noch die Überlegung, wann wirklich, wann genau wende ich diese Führungsgrundsätze an. Nun, sie sollten mein gesamtes Agieren, meine gesamte Tätigkeit als Krisenmanager begleiten. Konkret hernehmen würde ich sie einerseits als Checkliste für Entscheidungen, um zu überlegen: Sind diese Führungsgrundsätze gewahrt bei der geplanten Durchführung, bei der geplanten Maßnahme? Ich kann sie jederzeit zwischendurch quasi als „Reflektions-Hilfe“ hernehmen: Wo stehe ich in meinem Krisenmanagements, wo tun sich vielleicht Probleme auf, wo sollte ich gegensteuern? Und selbstverständlich sind sie auch eine gute Messlatte für das After-Action Review:Weil man im Nachhinein Entscheidungen beurteilt – einerseits nach dem Informationsstand der zum Zeitpunkt der Entscheidung geherrscht hat, andererseits aber auch danach wie weit die für mich wesentlichen Führungsgrundsätze auch wirklich eingehalten wurden, gewährleistet wurden.
Ja, soweit für heute zur Frage „Führen sie aus oder in die Krise?“ Wenn sie etwas nachlesen wollen, dann finden sie Shownotes, ein Transkript und weitere wertvolle Infos wie immer auf meiner Webseite krisenmeisterei.at. Dort können Sie auch meinen Newsletter abonnieren oder mein eBook runterladen. Außerdem können Sie sich für eines meiner Webinare anmelden. Wenn Sie besondere Wünsche oder Anregungen zum Podcast haben, würde ich mich sehr über eine E-Mail freuen. Die Adresse: podcast@krisenmeisterei.at.
Das war’s für heute! Ich bin Thomas Prinz von krisenmeisterei.at.
Vielen Dank fürs Zuhören und auf Wiedermeistern bei der nächsten Folge.